wurde auch im Winter nicht besser, als nach Martini die verschiedenen Deichrechnungen zur Revision eingelaufen waren.
Es war an einem Maiabend; aber es war Novemberwetter; von drinnen im Hause hörte man draußen hinterm Deich die Brandung donnern. "He, Hauke," sagte der Hausherr, "komm herein; nun magst Du weisen, ob Du rechnen kannst!"
"Uns' Weerth," entgegnete dieser; -- denn so nennen hier die Leute ihre Herrschaft -- "ich soll aber erst das Jungvieh füttern!"
"Elke!" rief der Deichgraf; "wo bist Du, Elke! -- Geh' zu Ole, und sag' ihm, er sollte das Jungvieh füttern; Hauke soll rechnen!"
Und Elke eilte in den Stall und machte dem Großknecht die Bestellung, der eben damit be- schäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde- geschirr wieder an seinen Platz zu hängen.
Ole Peters schlug mit einer Trense gegen den Ständer, neben dem er sich beschäftigte, als wolle er sie kurz und klein haben: "Hol' der Teufel den verfluchten Schreiberknecht!" -- Sie hörte die Worte noch, bevor sie die Stallthür wieder ge- schlossen hatte.
wurde auch im Winter nicht beſſer, als nach Martini die verſchiedenen Deichrechnungen zur Reviſion eingelaufen waren.
Es war an einem Maiabend; aber es war Novemberwetter; von drinnen im Hauſe hörte man draußen hinterm Deich die Brandung donnern. „He, Hauke,” ſagte der Hausherr, „komm herein; nun magſt Du weiſen, ob Du rechnen kannſt!”
„Unſ' Weerth,” entgegnete dieſer; — denn ſo nennen hier die Leute ihre Herrſchaft — „ich ſoll aber erſt das Jungvieh füttern!”
„Elke!” rief der Deichgraf; „wo biſt Du, Elke! — Geh' zu Ole, und ſag' ihm, er ſollte das Jungvieh füttern; Hauke ſoll rechnen!”
Und Elke eilte in den Stall und machte dem Großknecht die Beſtellung, der eben damit be- ſchäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde- geſchirr wieder an ſeinen Platz zu hängen.
Ole Peters ſchlug mit einer Trenſe gegen den Ständer, neben dem er ſich beſchäftigte, als wolle er ſie kurz und klein haben: „Hol' der Teufel den verfluchten Schreiberknecht!” — Sie hörte die Worte noch, bevor ſie die Stallthür wieder ge- ſchloſſen hatte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0055"n="43"/>
wurde auch im Winter nicht beſſer, als nach<lb/>
Martini die verſchiedenen Deichrechnungen zur<lb/>
Reviſion eingelaufen waren.</p><lb/><p>Es war an einem Maiabend; aber es war<lb/>
Novemberwetter; von drinnen im Hauſe hörte<lb/>
man draußen hinterm Deich die Brandung donnern.<lb/>„He, Hauke,”ſagte der Hausherr, „komm herein;<lb/>
nun magſt Du weiſen, ob Du rechnen kannſt!”</p><lb/><p>„Unſ' Weerth,” entgegnete dieſer; — denn<lb/>ſo nennen hier die Leute ihre Herrſchaft —„ich<lb/>ſoll aber erſt das Jungvieh füttern!”</p><lb/><p>„Elke!” rief der Deichgraf; „wo biſt Du,<lb/>
Elke! — Geh' zu Ole, und ſag' ihm, er ſollte<lb/>
das Jungvieh füttern; Hauke ſoll rechnen!”</p><lb/><p>Und Elke eilte in den Stall und machte dem<lb/>
Großknecht die Beſtellung, der eben damit be-<lb/>ſchäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde-<lb/>
geſchirr wieder an ſeinen Platz zu hängen.</p><lb/><p>Ole Peters ſchlug mit einer Trenſe gegen den<lb/>
Ständer, neben dem er ſich beſchäftigte, als wolle<lb/>
er ſie kurz und klein haben: „Hol' der Teufel den<lb/>
verfluchten Schreiberknecht!”— Sie hörte die<lb/>
Worte noch, bevor ſie die Stallthür wieder ge-<lb/>ſchloſſen hatte.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[43/0055]
wurde auch im Winter nicht beſſer, als nach
Martini die verſchiedenen Deichrechnungen zur
Reviſion eingelaufen waren.
Es war an einem Maiabend; aber es war
Novemberwetter; von drinnen im Hauſe hörte
man draußen hinterm Deich die Brandung donnern.
„He, Hauke,” ſagte der Hausherr, „komm herein;
nun magſt Du weiſen, ob Du rechnen kannſt!”
„Unſ' Weerth,” entgegnete dieſer; — denn
ſo nennen hier die Leute ihre Herrſchaft — „ich
ſoll aber erſt das Jungvieh füttern!”
„Elke!” rief der Deichgraf; „wo biſt Du,
Elke! — Geh' zu Ole, und ſag' ihm, er ſollte
das Jungvieh füttern; Hauke ſoll rechnen!”
Und Elke eilte in den Stall und machte dem
Großknecht die Beſtellung, der eben damit be-
ſchäftigt war, das über Tag gebrauchte Pferde-
geſchirr wieder an ſeinen Platz zu hängen.
Ole Peters ſchlug mit einer Trenſe gegen den
Ständer, neben dem er ſich beſchäftigte, als wolle
er ſie kurz und klein haben: „Hol' der Teufel den
verfluchten Schreiberknecht!” — Sie hörte die
Worte noch, bevor ſie die Stallthür wieder ge-
ſchloſſen hatte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/55>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.