Es ist mir nicht unbekannt, Herr," unterbrach sich der Erzähler, "daß dieser Umstand auch von Hans Mommsen erzählt wird; aber vor dessen Geburt ist hier bei uns schon die Sache von Hauke Haien -- so hieß der Knabe -- berichtet worden. Ihr wisset auch wohl, es braucht nur einmal ein Größerer zu kommen, so wird ihm Alles aufgeladen, was in Ernst oder Schimpf seine Vorgänger einst mögen verübt haben.
Als der Alte sah, daß der Junge weder für Kühe noch Schafe Sinn hatte, und kaum gewahrte, wenn die Bohnen blühten, was doch die Freude von jedem Marschmann ist, und weiterhin bedachte, daß die kleine Stelle wohl mit einem Bauer und einem Jungen, aber nicht mit einem Halbgelehrten und einem Knecht bestehen könne, ingleichen, daß er auch selber nicht auf einen grünen Zweig ge- kommen sei, so schickte er seinen großen Jungen an den Deich, wo er mit andern Arbeitern von Ostern bis Martini Erde karren mußte. "Das wird ihn vom Euklid curiren," sprach er bei sich selber.
Und der Junge karrte; aber den Euklid hatte er allzeit in der Tasche, und wenn die Arbeiter
Es iſt mir nicht unbekannt, Herr,” unterbrach ſich der Erzähler, „daß dieſer Umſtand auch von Hans Mommſen erzählt wird; aber vor deſſen Geburt iſt hier bei uns ſchon die Sache von Hauke Haien — ſo hieß der Knabe — berichtet worden. Ihr wiſſet auch wohl, es braucht nur einmal ein Größerer zu kommen, ſo wird ihm Alles aufgeladen, was in Ernſt oder Schimpf ſeine Vorgänger einſt mögen verübt haben.
Als der Alte ſah, daß der Junge weder für Kühe noch Schafe Sinn hatte, und kaum gewahrte, wenn die Bohnen blühten, was doch die Freude von jedem Marſchmann iſt, und weiterhin bedachte, daß die kleine Stelle wohl mit einem Bauer und einem Jungen, aber nicht mit einem Halbgelehrten und einem Knecht beſtehen könne, ingleichen, daß er auch ſelber nicht auf einen grünen Zweig ge- kommen ſei, ſo ſchickte er ſeinen großen Jungen an den Deich, wo er mit andern Arbeitern von Oſtern bis Martini Erde karren mußte. „Das wird ihn vom Euklid curiren,” ſprach er bei ſich ſelber.
Und der Junge karrte; aber den Euklid hatte er allzeit in der Taſche, und wenn die Arbeiter
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0025"n="13"/><p>Es iſt mir nicht unbekannt, Herr,” unterbrach<lb/>ſich der Erzähler, „daß dieſer Umſtand auch von<lb/>
Hans Mommſen erzählt wird; aber vor deſſen<lb/>
Geburt iſt hier bei uns ſchon die Sache von Hauke<lb/>
Haien —ſo hieß der Knabe — berichtet worden.<lb/>
Ihr wiſſet auch wohl, es braucht nur einmal ein<lb/>
Größerer zu kommen, ſo wird ihm Alles aufgeladen,<lb/>
was in Ernſt oder Schimpf ſeine Vorgänger einſt<lb/>
mögen verübt haben.</p><lb/><p>Als der Alte ſah, daß der Junge weder für<lb/>
Kühe noch Schafe Sinn hatte, und kaum gewahrte,<lb/>
wenn die Bohnen blühten, was doch die Freude<lb/>
von jedem Marſchmann iſt, und weiterhin bedachte,<lb/>
daß die kleine Stelle wohl mit einem Bauer und<lb/>
einem Jungen, aber nicht mit einem Halbgelehrten<lb/>
und einem Knecht beſtehen könne, ingleichen, daß<lb/>
er auch ſelber nicht auf einen grünen Zweig ge-<lb/>
kommen ſei, ſo ſchickte er ſeinen großen Jungen<lb/>
an den Deich, wo er mit andern Arbeitern von<lb/>
Oſtern bis Martini Erde karren mußte. „Das<lb/>
wird ihn vom Euklid curiren,”ſprach er bei<lb/>ſich ſelber.</p><lb/><p>Und der Junge karrte; aber den Euklid hatte<lb/>
er allzeit in der Taſche, und wenn die Arbeiter<lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0025]
Es iſt mir nicht unbekannt, Herr,” unterbrach
ſich der Erzähler, „daß dieſer Umſtand auch von
Hans Mommſen erzählt wird; aber vor deſſen
Geburt iſt hier bei uns ſchon die Sache von Hauke
Haien — ſo hieß der Knabe — berichtet worden.
Ihr wiſſet auch wohl, es braucht nur einmal ein
Größerer zu kommen, ſo wird ihm Alles aufgeladen,
was in Ernſt oder Schimpf ſeine Vorgänger einſt
mögen verübt haben.
Als der Alte ſah, daß der Junge weder für
Kühe noch Schafe Sinn hatte, und kaum gewahrte,
wenn die Bohnen blühten, was doch die Freude
von jedem Marſchmann iſt, und weiterhin bedachte,
daß die kleine Stelle wohl mit einem Bauer und
einem Jungen, aber nicht mit einem Halbgelehrten
und einem Knecht beſtehen könne, ingleichen, daß
er auch ſelber nicht auf einen grünen Zweig ge-
kommen ſei, ſo ſchickte er ſeinen großen Jungen
an den Deich, wo er mit andern Arbeitern von
Oſtern bis Martini Erde karren mußte. „Das
wird ihn vom Euklid curiren,” ſprach er bei
ſich ſelber.
Und der Junge karrte; aber den Euklid hatte
er allzeit in der Taſche, und wenn die Arbeiter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/25>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.