Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888.mir aber auf halber Höhe des Binnendeiches lag Ich band das meine an einen derselben und "Is wull so wat," entgegnete der Knecht auf mir aber auf halber Höhe des Binnendeiches lag Ich band das meine an einen derſelben und „Is wull ſo wat,” entgegnete der Knecht auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="6"/> mir aber auf halber Höhe des Binnendeiches lag<lb/> ein großes Haus derſelben Art; an der Südſeite,<lb/> rechts von der Hausthür, ſah ich alle Fenſter er-<lb/> leuchtet; dahinter gewahrte ich Menſchen und<lb/> glaubte trotz des Sturmes ſie zu hören. Mein<lb/> Pferd war ſchon von ſelbſt auf den Weg am Deich<lb/> hinabgeſchritten, der mich vor die Thür des Hauſes<lb/> führte. Ich ſah wohl, daß es ein Wirthshaus war;<lb/> denn vor den Fenſtern gewahrte ich die ſogenannten<lb/> „Ricks”, das heißt auf zwei Ständern ruhende<lb/> Balken mit großen eiſernen Ringen, zum Anbinden<lb/> des Viehes und der Pferde, die hier Halt machten.</p><lb/> <p>Ich band das meine an einen derſelben und<lb/> überwies es dann dem Knechte, der mir beim Ein-<lb/> tritt in den Flur entgegenkam. „Iſt hier Ver-<lb/> ſammlung?” frug ich ihn, da mir jetzt deutlich<lb/> ein Geräuſch von Menſchenſtimmen und Gläſer-<lb/> klirren aus der Stubenthür entgegendrang.</p><lb/> <p>„Is wull ſo wat,” entgegnete der Knecht auf<lb/> Plattdeutſch — und ich erfuhr nachher, daß dieſes<lb/> neben dem Frieſiſchen hier ſchon ſeit über hundert<lb/> Jahren im Schwange geweſen ſei — „Diekgraf un<lb/> Gevollmächtigten un wecke von de annern In-<lb/> treſſenten! Dat is um't hoge Wåter!”</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [6/0018]
mir aber auf halber Höhe des Binnendeiches lag
ein großes Haus derſelben Art; an der Südſeite,
rechts von der Hausthür, ſah ich alle Fenſter er-
leuchtet; dahinter gewahrte ich Menſchen und
glaubte trotz des Sturmes ſie zu hören. Mein
Pferd war ſchon von ſelbſt auf den Weg am Deich
hinabgeſchritten, der mich vor die Thür des Hauſes
führte. Ich ſah wohl, daß es ein Wirthshaus war;
denn vor den Fenſtern gewahrte ich die ſogenannten
„Ricks”, das heißt auf zwei Ständern ruhende
Balken mit großen eiſernen Ringen, zum Anbinden
des Viehes und der Pferde, die hier Halt machten.
Ich band das meine an einen derſelben und
überwies es dann dem Knechte, der mir beim Ein-
tritt in den Flur entgegenkam. „Iſt hier Ver-
ſammlung?” frug ich ihn, da mir jetzt deutlich
ein Geräuſch von Menſchenſtimmen und Gläſer-
klirren aus der Stubenthür entgegendrang.
„Is wull ſo wat,” entgegnete der Knecht auf
Plattdeutſch — und ich erfuhr nachher, daß dieſes
neben dem Frieſiſchen hier ſchon ſeit über hundert
Jahren im Schwange geweſen ſei — „Diekgraf un
Gevollmächtigten un wecke von de annern In-
treſſenten! Dat is um't hoge Wåter!”
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