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Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

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Ich hatte meine Hand auf ihren Kopf gelegt. "So ist es recht, mein Kind," sagte ich; "nun gräme Dich nur nicht; ich gehe mit Dir, wohin Du willst! Und wenn's erst Sommer ist, dann reisen wir zu meinem alten Ohm, der auf dem Lande wohnt! Da sind große stille Stuben und draußen Wald und grüne Wiesen!" By Jove! Ich hatte die Marder ganz vergessen!

Sie hatte meine Hände an ihre Stirn gepreßt, und nickte ein paar Mal leise ohne aufzusehen; dann aber richtete sie sich empor. "Laß mich nun, mein Ohm," sprach sie freundlich, "ich muß nach unten."

Sie ging, und ich blieb, ohne meinen Kaffee anzurühren, noch lang auf meinem Bette; ich wußte in der Sache mich nicht zurecht zu finden.



Einige Zeit verging; das Aussehen des Mädchens wurde freilich besser; aber innerlich war das Kind verwandelt. Wenn sie sonst um Mittag so fröhlich unten an der Treppe rief. "Ohm! Ohm John! Servirt!" - Du lieber Gott, wie träg und öde klang das jetzt! Mir war auch, als ob ihr Angesicht allmälig sich verändre; sie hatte sonst noch immer

Ich hatte meine Hand auf ihren Kopf gelegt. „So ist es recht, mein Kind,“ sagte ich; „nun gräme Dich nur nicht; ich gehe mit Dir, wohin Du willst! Und wenn’s erst Sommer ist, dann reisen wir zu meinem alten Ohm, der auf dem Lande wohnt! Da sind große stille Stuben und draußen Wald und grüne Wiesen!“ By Jove! Ich hatte die Marder ganz vergessen!

Sie hatte meine Hände an ihre Stirn gepreßt, und nickte ein paar Mal leise ohne aufzusehen; dann aber richtete sie sich empor. „Laß mich nun, mein Ohm,“ sprach sie freundlich, „ich muß nach unten.“

Sie ging, und ich blieb, ohne meinen Kaffee anzurühren, noch lang auf meinem Bette; ich wußte in der Sache mich nicht zurecht zu finden.



Einige Zeit verging; das Aussehen des Mädchens wurde freilich besser; aber innerlich war das Kind verwandelt. Wenn sie sonst um Mittag so fröhlich unten an der Treppe rief. „Ohm! Ohm John! Servirt!“ – Du lieber Gott, wie träg und öde klang das jetzt! Mir war auch, als ob ihr Angesicht allmälig sich verändre; sie hatte sonst noch immer

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[70/0074] Ich hatte meine Hand auf ihren Kopf gelegt. „So ist es recht, mein Kind,“ sagte ich; „nun gräme Dich nur nicht; ich gehe mit Dir, wohin Du willst! Und wenn’s erst Sommer ist, dann reisen wir zu meinem alten Ohm, der auf dem Lande wohnt! Da sind große stille Stuben und draußen Wald und grüne Wiesen!“ By Jove! Ich hatte die Marder ganz vergessen! Sie hatte meine Hände an ihre Stirn gepreßt, und nickte ein paar Mal leise ohne aufzusehen; dann aber richtete sie sich empor. „Laß mich nun, mein Ohm,“ sprach sie freundlich, „ich muß nach unten.“ Sie ging, und ich blieb, ohne meinen Kaffee anzurühren, noch lang auf meinem Bette; ich wußte in der Sache mich nicht zurecht zu finden. Einige Zeit verging; das Aussehen des Mädchens wurde freilich besser; aber innerlich war das Kind verwandelt. Wenn sie sonst um Mittag so fröhlich unten an der Treppe rief. „Ohm! Ohm John! Servirt!“ – Du lieber Gott, wie träg und öde klang das jetzt! Mir war auch, als ob ihr Angesicht allmälig sich verändre; sie hatte sonst noch immer

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Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/74>, abgerufen am 24.11.2024.