Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Am andern Morgen mußte ich nach Lübeck, um endlich mit meinem alten Rheder rein zu werden. Er ließ, als ich ankam, nicht ab, ich mußte bei ihm Quartier nehmen, in seinem großen Hause in der Wahmstraße, wo die braun getäfelten Zimmer danach aussahen, als seien Marx Meyer und Herr Jürgen Wullenweber dort noch aus- und eingegangen; der lange Hausflur stieg in das erste Stockwerk hinauf, und oben lief eine Galerie herum, auf welche viele Thüren, auch die von meinem Schlafkabinett hinausgingen. Das Alles hatte ein gar stattlich Ansehen. Der alte Herr selber war etwas gebrechlich schon; ein wenig steif im Rücken und die Finger vom vielen Schreiben krumm; aber er saß noch immer an seinem Pult; denn er war der Letzte, er hatte keinen Sohn. Wir beide waren aber noch allzeit mit einander fertig geworden; nur etwas langsam ging es, und Geduld mußte man haben. So zog es sich denn auch jetzt wieder von einem Tag zum andern. Die Sache war aber eigentlich, ihm fehlte noch immer der Capitän für "die alte Liebe"; er dacht' wohl, hätte er mich im Hause, so wär' ich noch zu halten. Als ich eines Morgens aus meiner Kammer getreten war, und über die Galerie in den steinernen Am andern Morgen mußte ich nach Lübeck, um endlich mit meinem alten Rheder rein zu werden. Er ließ, als ich ankam, nicht ab, ich mußte bei ihm Quartier nehmen, in seinem großen Hause in der Wahmstraße, wo die braun getäfelten Zimmer danach aussahen, als seien Marx Meyer und Herr Jürgen Wullenweber dort noch aus- und eingegangen; der lange Hausflur stieg in das erste Stockwerk hinauf, und oben lief eine Galerie herum, auf welche viele Thüren, auch die von meinem Schlafkabinett hinausgingen. Das Alles hatte ein gar stattlich Ansehen. Der alte Herr selber war etwas gebrechlich schon; ein wenig steif im Rücken und die Finger vom vielen Schreiben krumm; aber er saß noch immer an seinem Pult; denn er war der Letzte, er hatte keinen Sohn. Wir beide waren aber noch allzeit mit einander fertig geworden; nur etwas langsam ging es, und Geduld mußte man haben. So zog es sich denn auch jetzt wieder von einem Tag zum andern. Die Sache war aber eigentlich, ihm fehlte noch immer der Capitän für „die alte Liebe“; er dacht’ wohl, hätte er mich im Hause, so wär’ ich noch zu halten. Als ich eines Morgens aus meiner Kammer getreten war, und über die Galerie in den steinernen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0067" n="63"/> <p>Am andern Morgen mußte ich nach Lübeck, um endlich mit meinem alten Rheder rein zu werden. Er ließ, als ich ankam, nicht ab, ich mußte bei ihm Quartier nehmen, in seinem großen Hause in der Wahmstraße, wo die braun getäfelten Zimmer danach aussahen, als seien Marx Meyer und Herr Jürgen Wullenweber dort noch aus- und eingegangen; der lange Hausflur stieg in das erste Stockwerk hinauf, und oben lief eine Galerie herum, auf welche viele Thüren, auch die von meinem Schlafkabinett hinausgingen. Das Alles hatte ein gar stattlich Ansehen.</p> <p>Der alte Herr selber war etwas gebrechlich schon; ein wenig steif im Rücken und die Finger vom vielen Schreiben krumm; aber er saß noch immer an seinem Pult; denn er war der Letzte, er hatte keinen Sohn. Wir beide waren aber noch allzeit mit einander fertig geworden; nur etwas langsam ging es, und Geduld mußte man haben. So zog es sich denn auch jetzt wieder von einem Tag zum andern. Die Sache war aber eigentlich, ihm fehlte noch immer der Capitän für „die alte Liebe“; er dacht’ wohl, hätte er mich im Hause, so wär’ ich noch zu halten.</p> <p>Als ich eines Morgens aus meiner Kammer getreten war, und über die Galerie in den steinernen </p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0067]
Am andern Morgen mußte ich nach Lübeck, um endlich mit meinem alten Rheder rein zu werden. Er ließ, als ich ankam, nicht ab, ich mußte bei ihm Quartier nehmen, in seinem großen Hause in der Wahmstraße, wo die braun getäfelten Zimmer danach aussahen, als seien Marx Meyer und Herr Jürgen Wullenweber dort noch aus- und eingegangen; der lange Hausflur stieg in das erste Stockwerk hinauf, und oben lief eine Galerie herum, auf welche viele Thüren, auch die von meinem Schlafkabinett hinausgingen. Das Alles hatte ein gar stattlich Ansehen.
Der alte Herr selber war etwas gebrechlich schon; ein wenig steif im Rücken und die Finger vom vielen Schreiben krumm; aber er saß noch immer an seinem Pult; denn er war der Letzte, er hatte keinen Sohn. Wir beide waren aber noch allzeit mit einander fertig geworden; nur etwas langsam ging es, und Geduld mußte man haben. So zog es sich denn auch jetzt wieder von einem Tag zum andern. Die Sache war aber eigentlich, ihm fehlte noch immer der Capitän für „die alte Liebe“; er dacht’ wohl, hätte er mich im Hause, so wär’ ich noch zu halten.
Als ich eines Morgens aus meiner Kammer getreten war, und über die Galerie in den steinernen
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/67>, abgerufen am 30.07.2024. |