Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885."Liebes Mamsellchen," sagte ich, da sie innehielt, "sparen Sie die Worte nicht; ich bin bereit zu hören." Hieraus, während die Aeltere sittsam auf ihre Arbeit sah, rückte das beredte Mädchen sich einen Schemel unter die Füße und setzte sich ordentlich in Positur. "Es war im vorigen Herbste, Capitän Riew'," sagte sie, "und die Centralhalle war eben eröffnet; man konnte in Familie an kleinen Tischen sitzen, seinen Thee oder eine Tasse Chokolade trinken und dabei eine Komödie oder was es sonst denn gab, mit ansehen, und die Kosten waren auch nicht schlimm. Alle gingen hin, und groß wurde davon gesprochen. Wir, Herr Riew', gehören nicht zu denen, die nach allem Neuen laufen; aber die Gummi-Elasticum-Kerle, als die angekündigt wurden, die mußten wir doch sehen! Wir beide gingen also eines Abends in die Centralhalle, unsere Mutter war natürlich bei uns; der alten Dame schwindelte der Kopf, und sie hätte bald ihren Zufall bekommen, als wir in den ungeheuren Saal traten; doch es gab sich zum Glück, als wir erst an einem Tischchen unsern Thee tranken und dann der Vorhang aufging. Die Elasticum-Kerle waren freilich besser auf dem Zettel als auf der Bühne; aber als der Eine „Liebes Mamsellchen,“ sagte ich, da sie innehielt, „sparen Sie die Worte nicht; ich bin bereit zu hören.“ Hieraus, während die Aeltere sittsam auf ihre Arbeit sah, rückte das beredte Mädchen sich einen Schemel unter die Füße und setzte sich ordentlich in Positur. „Es war im vorigen Herbste, Capitän Riew’,“ sagte sie, „und die Centralhalle war eben eröffnet; man konnte in Familie an kleinen Tischen sitzen, seinen Thee oder eine Tasse Chokolade trinken und dabei eine Komödie oder was es sonst denn gab, mit ansehen, und die Kosten waren auch nicht schlimm. Alle gingen hin, und groß wurde davon gesprochen. Wir, Herr Riew’, gehören nicht zu denen, die nach allem Neuen laufen; aber die Gummi-Elasticum-Kerle, als die angekündigt wurden, die mußten wir doch sehen! Wir beide gingen also eines Abends in die Centralhalle, unsere Mutter war natürlich bei uns; der alten Dame schwindelte der Kopf, und sie hätte bald ihren Zufall bekommen, als wir in den ungeheuren Saal traten; doch es gab sich zum Glück, als wir erst an einem Tischchen unsern Thee tranken und dann der Vorhang aufging. Die Elasticum-Kerle waren freilich besser auf dem Zettel als auf der Bühne; aber als der Eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0057" n="53"/> <p>„Liebes Mamsellchen,“ sagte ich, da sie innehielt, „sparen Sie die Worte nicht; ich bin bereit zu hören.“</p> <p>Hieraus, während die Aeltere sittsam auf ihre Arbeit sah, rückte das beredte Mädchen sich einen Schemel unter die Füße und setzte sich ordentlich in Positur. „Es war im vorigen Herbste, Capitän Riew’,“ sagte sie, „und die Centralhalle war eben eröffnet; man konnte in Familie an kleinen Tischen sitzen, seinen Thee oder eine Tasse Chokolade trinken und dabei eine Komödie oder was es sonst denn gab, mit ansehen, und die Kosten waren auch nicht schlimm. Alle gingen hin, und groß wurde davon gesprochen. Wir, Herr Riew’, gehören nicht zu denen, die nach allem Neuen laufen; aber die Gummi-Elasticum-Kerle, als die angekündigt wurden, die mußten wir doch sehen! Wir beide gingen also eines Abends in die Centralhalle, unsere Mutter war natürlich bei uns; der alten Dame schwindelte der Kopf, und sie hätte bald ihren Zufall bekommen, als wir in den ungeheuren Saal traten; doch es gab sich zum Glück, als wir erst an einem Tischchen unsern Thee tranken und dann der Vorhang aufging. Die Elasticum-Kerle waren freilich besser auf dem Zettel als auf der Bühne; aber als der Eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [53/0057]
„Liebes Mamsellchen,“ sagte ich, da sie innehielt, „sparen Sie die Worte nicht; ich bin bereit zu hören.“
Hieraus, während die Aeltere sittsam auf ihre Arbeit sah, rückte das beredte Mädchen sich einen Schemel unter die Füße und setzte sich ordentlich in Positur. „Es war im vorigen Herbste, Capitän Riew’,“ sagte sie, „und die Centralhalle war eben eröffnet; man konnte in Familie an kleinen Tischen sitzen, seinen Thee oder eine Tasse Chokolade trinken und dabei eine Komödie oder was es sonst denn gab, mit ansehen, und die Kosten waren auch nicht schlimm. Alle gingen hin, und groß wurde davon gesprochen. Wir, Herr Riew’, gehören nicht zu denen, die nach allem Neuen laufen; aber die Gummi-Elasticum-Kerle, als die angekündigt wurden, die mußten wir doch sehen! Wir beide gingen also eines Abends in die Centralhalle, unsere Mutter war natürlich bei uns; der alten Dame schwindelte der Kopf, und sie hätte bald ihren Zufall bekommen, als wir in den ungeheuren Saal traten; doch es gab sich zum Glück, als wir erst an einem Tischchen unsern Thee tranken und dann der Vorhang aufging. Die Elasticum-Kerle waren freilich besser auf dem Zettel als auf der Bühne; aber als der Eine
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/57>, abgerufen am 16.02.2025. |