Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.Sicher und sagte lieber vorsichtig: "Guten Abend; wär' Frau Geyers wohl zu sprechen?" "Guten Abend;" sagte sie - und mir war's, als ob sie innerlich lache - "treten Sie nur näher." Aber ich kehrte mich zu ihr. "Um Verzeihung, liebes Kind," sagte ich, "wie heißen Sie denn?" Sie neigte den Kopf, daß ich vom Gesicht nur noch die Stirnlöckchen sehen konnte und sagte: "An-na." Sie sagte das so eindringlich, so very engaging; es sang ordentlich was in den beiden Silben, und wieder auch, als wär' ein Mädchenlachen noch dahinter. Dann aber, als Frau Riekchen jetzt aus der Stube trat, da lachte sie wirklich und warf den Kopf empor. "Mutter," rief sie jubelnd, "da ist Onkel Riew', und er kennt mich nicht mehr!" Und sie flog mir an den Hals, die junge Katze! In mir aber rief es: "Land, Land! Nicht nochmals auf die Planken!" Ich wohnte schon wieder oben in meinem alten Quartier und hatte aus Lübeck und vom Schiff schon meine Sachen um mich. Es war fast wie früher, nur daß, weil die Frauen Anderes zu thun Sicher und sagte lieber vorsichtig: „Guten Abend; wär’ Frau Geyers wohl zu sprechen?“ „Guten Abend;“ sagte sie – und mir war’s, als ob sie innerlich lache – „treten Sie nur näher.“ Aber ich kehrte mich zu ihr. „Um Verzeihung, liebes Kind,“ sagte ich, „wie heißen Sie denn?“ Sie neigte den Kopf, daß ich vom Gesicht nur noch die Stirnlöckchen sehen konnte und sagte: „An-na.“ Sie sagte das so eindringlich, so very engaging; es sang ordentlich was in den beiden Silben, und wieder auch, als wär’ ein Mädchenlachen noch dahinter. Dann aber, als Frau Riekchen jetzt aus der Stube trat, da lachte sie wirklich und warf den Kopf empor. „Mutter,“ rief sie jubelnd, „da ist Onkel Riew’, und er kennt mich nicht mehr!“ Und sie flog mir an den Hals, die junge Katze! In mir aber rief es: „Land, Land! Nicht nochmals auf die Planken!“ Ich wohnte schon wieder oben in meinem alten Quartier und hatte aus Lübeck und vom Schiff schon meine Sachen um mich. Es war fast wie früher, nur daß, weil die Frauen Anderes zu thun <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="50"/> Sicher und sagte lieber vorsichtig: „Guten Abend; wär’ Frau Geyers wohl zu sprechen?“ „Guten Abend;“ sagte sie – und mir war’s, als ob sie innerlich lache – „treten Sie nur näher.“ Aber ich kehrte mich zu ihr. „Um Verzeihung, liebes Kind,“ sagte ich, „wie heißen Sie denn?“ Sie neigte den Kopf, daß ich vom Gesicht nur noch die Stirnlöckchen sehen konnte und sagte: „An-na.“</p> <p>Sie sagte das so eindringlich, so <hi rendition="#aq">very engaging</hi>; es sang ordentlich was in den beiden Silben, und wieder auch, als wär’ ein Mädchenlachen noch dahinter.</p> <p>Dann aber, als Frau Riekchen jetzt aus der Stube trat, da lachte sie wirklich und warf den Kopf empor. „Mutter,“ rief sie jubelnd, „da ist Onkel Riew’, und er kennt mich nicht mehr!“ Und sie flog mir an den Hals, die junge Katze! In mir aber rief es: „Land, Land! Nicht nochmals auf die Planken!“</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ich wohnte schon wieder oben in meinem alten Quartier und hatte aus Lübeck und vom Schiff schon meine Sachen um mich. Es war fast wie früher, nur daß, weil die Frauen Anderes zu thun </p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0054]
Sicher und sagte lieber vorsichtig: „Guten Abend; wär’ Frau Geyers wohl zu sprechen?“ „Guten Abend;“ sagte sie – und mir war’s, als ob sie innerlich lache – „treten Sie nur näher.“ Aber ich kehrte mich zu ihr. „Um Verzeihung, liebes Kind,“ sagte ich, „wie heißen Sie denn?“ Sie neigte den Kopf, daß ich vom Gesicht nur noch die Stirnlöckchen sehen konnte und sagte: „An-na.“
Sie sagte das so eindringlich, so very engaging; es sang ordentlich was in den beiden Silben, und wieder auch, als wär’ ein Mädchenlachen noch dahinter.
Dann aber, als Frau Riekchen jetzt aus der Stube trat, da lachte sie wirklich und warf den Kopf empor. „Mutter,“ rief sie jubelnd, „da ist Onkel Riew’, und er kennt mich nicht mehr!“ Und sie flog mir an den Hals, die junge Katze! In mir aber rief es: „Land, Land! Nicht nochmals auf die Planken!“
Ich wohnte schon wieder oben in meinem alten Quartier und hatte aus Lübeck und vom Schiff schon meine Sachen um mich. Es war fast wie früher, nur daß, weil die Frauen Anderes zu thun
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/54>, abgerufen am 16.02.2025. |