Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.aber die Kranke regte sich nicht mehr. Der Ritter sprach zu sich: "Es ist bald alles aus, mein Lebens mit dem Deinen!" Er legte lind die Hand auf Dagmars Stirn und sprach: "Es soll geschehen, wie Du es willst, mein Kind!" Und wie ein Lächeln flog es noch einmal über ihr Antlitz, sie lebte noch. Aber da ihr Odem schwächer wurde und er sah, daß ihre Seele fliehen wollte, ging er zu einem Lädlein, darin geweihte Kerzen lagen, noch von dem großen Sterben her. Er nahm eine heraus und entzündete sie an dem Lämplein, das noch brannte. "Für mein Letztes!" sprach er und trat wieder zu seinem Kinde; dann faßte er ihre feinen Hände und schloß sie um die brennende Todtenkerze und legte die seinen sorgsam noch darüber, daß nicht ein Tröpfchen heißen Wachses sie von ihrem letzten Pfad zurückschrecke. Still harrend saß er aus der Kante des Bettes; die neben ihm kniende Base sprach: "Gott hat Dir ein Lichtlein geben; das leucht Dir in's ewige Leben!" und beide sahen, wie die Flamme von dem Odem der Sterbenden immer schwächer bewegt wurde. Da plötzlich flackerte die Kerze und erlosch; ein leichter blauer Qualm zog durch's Gemach. "Dagmar, mein Kind! O süße Dagmar!" rief der Mann; aber Dagmar hatte sanft ihr Haupt aber die Kranke regte sich nicht mehr. Der Ritter sprach zu sich: „Es ist bald alles aus, mein Lebens mit dem Deinen!“ Er legte lind die Hand auf Dagmars Stirn und sprach: „Es soll geschehen, wie Du es willst, mein Kind!“ Und wie ein Lächeln flog es noch einmal über ihr Antlitz, sie lebte noch. Aber da ihr Odem schwächer wurde und er sah, daß ihre Seele fliehen wollte, ging er zu einem Lädlein, darin geweihte Kerzen lagen, noch von dem großen Sterben her. Er nahm eine heraus und entzündete sie an dem Lämplein, das noch brannte. „Für mein Letztes!“ sprach er und trat wieder zu seinem Kinde; dann faßte er ihre feinen Hände und schloß sie um die brennende Todtenkerze und legte die seinen sorgsam noch darüber, daß nicht ein Tröpfchen heißen Wachses sie von ihrem letzten Pfad zurückschrecke. Still harrend saß er aus der Kante des Bettes; die neben ihm kniende Base sprach: „Gott hat Dir ein Lichtlein geben; das leucht Dir in’s ewige Leben!“ und beide sahen, wie die Flamme von dem Odem der Sterbenden immer schwächer bewegt wurde. Da plötzlich flackerte die Kerze und erlosch; ein leichter blauer Qualm zog durch’s Gemach. „Dagmar, mein Kind! O süße Dagmar!“ rief der Mann; aber Dagmar hatte sanft ihr Haupt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="203"/> aber die Kranke regte sich nicht mehr. Der Ritter sprach zu sich: „Es ist bald alles aus, mein Lebens mit dem Deinen!“ Er legte lind die Hand auf Dagmars Stirn und sprach: „Es soll geschehen, wie Du es willst, mein Kind!“ Und wie ein Lächeln flog es noch einmal über ihr Antlitz, sie lebte noch.</p> <p>Aber da ihr Odem schwächer wurde und er sah, daß ihre Seele fliehen wollte, ging er zu einem Lädlein, darin geweihte Kerzen lagen, noch von dem großen Sterben her. Er nahm eine heraus und entzündete sie an dem Lämplein, das noch brannte. „Für mein Letztes!“ sprach er und trat wieder zu seinem Kinde; dann faßte er ihre feinen Hände und schloß sie um die brennende Todtenkerze und legte die seinen sorgsam noch darüber, daß nicht ein Tröpfchen heißen Wachses sie von ihrem letzten Pfad zurückschrecke. Still harrend saß er aus der Kante des Bettes; die neben ihm kniende Base sprach: „Gott hat Dir ein Lichtlein geben; das leucht Dir in’s ewige Leben!“ und beide sahen, wie die Flamme von dem Odem der Sterbenden immer schwächer bewegt wurde. Da plötzlich flackerte die Kerze und erlosch; ein leichter blauer Qualm zog durch’s Gemach. „Dagmar, mein Kind! O süße Dagmar!“ rief der Mann; aber Dagmar hatte sanft ihr Haupt </p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0207]
aber die Kranke regte sich nicht mehr. Der Ritter sprach zu sich: „Es ist bald alles aus, mein Lebens mit dem Deinen!“ Er legte lind die Hand auf Dagmars Stirn und sprach: „Es soll geschehen, wie Du es willst, mein Kind!“ Und wie ein Lächeln flog es noch einmal über ihr Antlitz, sie lebte noch.
Aber da ihr Odem schwächer wurde und er sah, daß ihre Seele fliehen wollte, ging er zu einem Lädlein, darin geweihte Kerzen lagen, noch von dem großen Sterben her. Er nahm eine heraus und entzündete sie an dem Lämplein, das noch brannte. „Für mein Letztes!“ sprach er und trat wieder zu seinem Kinde; dann faßte er ihre feinen Hände und schloß sie um die brennende Todtenkerze und legte die seinen sorgsam noch darüber, daß nicht ein Tröpfchen heißen Wachses sie von ihrem letzten Pfad zurückschrecke. Still harrend saß er aus der Kante des Bettes; die neben ihm kniende Base sprach: „Gott hat Dir ein Lichtlein geben; das leucht Dir in’s ewige Leben!“ und beide sahen, wie die Flamme von dem Odem der Sterbenden immer schwächer bewegt wurde. Da plötzlich flackerte die Kerze und erlosch; ein leichter blauer Qualm zog durch’s Gemach. „Dagmar, mein Kind! O süße Dagmar!“ rief der Mann; aber Dagmar hatte sanft ihr Haupt
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