Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

eines böhmischen Schätzchens auf, deren Lippen er einst gestreift und das er kaum vergessen hatte, und grollend sprach er zu sich selber: "Die Du gefreit hast, ist kein Weib zum Minnen; und wenn nicht dazu, wozu denn anders?"

Hinter ihnen ritt schweigend Gaspard der Rabe; er sah mit seiner Schnabelnase schief zur Erden und spielte mit der Kugel seiner Mütze, als ob er an einer Schellenkappe läutete.

Die Pferde gingen jetzt ruhig, und wieder nordwärts lag ein Wald vor ihnen. Das Dunkel kam nicht nur von seinen Schatten; die Dämmerung war stark herabgesunken, und im Osten begann der Mond den letzten Tagschein zu besiegen. Da fuhr es vor ihnen von einer schwarzen Tanne mit einem Satz zu Boden, daß Rolf Lembeck sich jäh aus seinen Träumen aufhob. "Hallo! Was war das, Gaspard?" rief er und riß seine zierliche Armbrust von dem Rücken.

- "Eine Wildkatz, Herr! Seht nur, am Stamme sitzt sie noch, der Breitschwanz, und faucht Euch mit ihren spitzen Zähnen an!"

"Ein edel und ein übel Wild!" sprach der Ritter leis und sprang von seinem Hengste. "Nimm ihn am Zügel, Gaspard!"

eines böhmischen Schätzchens auf, deren Lippen er einst gestreift und das er kaum vergessen hatte, und grollend sprach er zu sich selber: „Die Du gefreit hast, ist kein Weib zum Minnen; und wenn nicht dazu, wozu denn anders?“

Hinter ihnen ritt schweigend Gaspard der Rabe; er sah mit seiner Schnabelnase schief zur Erden und spielte mit der Kugel seiner Mütze, als ob er an einer Schellenkappe läutete.

Die Pferde gingen jetzt ruhig, und wieder nordwärts lag ein Wald vor ihnen. Das Dunkel kam nicht nur von seinen Schatten; die Dämmerung war stark herabgesunken, und im Osten begann der Mond den letzten Tagschein zu besiegen. Da fuhr es vor ihnen von einer schwarzen Tanne mit einem Satz zu Boden, daß Rolf Lembeck sich jäh aus seinen Träumen aufhob. „Hallo! Was war das, Gaspard?“ rief er und riß seine zierliche Armbrust von dem Rücken.

- „Eine Wildkatz, Herr! Seht nur, am Stamme sitzt sie noch, der Breitschwanz, und faucht Euch mit ihren spitzen Zähnen an!“

„Ein edel und ein übel Wild!“ sprach der Ritter leis und sprang von seinem Hengste. „Nimm ihn am Zügel, Gaspard!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0145" n="141"/>
eines böhmischen Schätzchens auf, deren Lippen er einst gestreift und das er kaum vergessen hatte, und grollend sprach er zu sich selber: &#x201E;Die Du gefreit hast, ist kein Weib zum Minnen; und wenn nicht dazu, wozu denn anders?&#x201C;</p>
        <p>Hinter ihnen ritt schweigend Gaspard der Rabe; er sah mit seiner Schnabelnase schief zur Erden und spielte mit der Kugel seiner Mütze, als ob er an einer Schellenkappe läutete.</p>
        <p>Die Pferde gingen jetzt ruhig, und wieder nordwärts lag ein Wald vor ihnen. Das Dunkel kam nicht nur von seinen Schatten; die Dämmerung war stark herabgesunken, und im Osten begann der Mond den letzten Tagschein zu besiegen. Da fuhr es vor ihnen von einer schwarzen Tanne mit einem Satz zu Boden, daß Rolf Lembeck sich jäh aus seinen Träumen aufhob. &#x201E;Hallo! Was war das, Gaspard?&#x201C; rief er und riß seine zierliche Armbrust von dem Rücken.</p>
        <p>- &#x201E;Eine Wildkatz, Herr! Seht nur, am Stamme sitzt sie noch, der Breitschwanz, und faucht Euch mit ihren spitzen Zähnen an!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ein edel und ein übel Wild!&#x201C; sprach der Ritter leis und sprang von seinem Hengste. &#x201E;Nimm ihn am Zügel, Gaspard!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0145] eines böhmischen Schätzchens auf, deren Lippen er einst gestreift und das er kaum vergessen hatte, und grollend sprach er zu sich selber: „Die Du gefreit hast, ist kein Weib zum Minnen; und wenn nicht dazu, wozu denn anders?“ Hinter ihnen ritt schweigend Gaspard der Rabe; er sah mit seiner Schnabelnase schief zur Erden und spielte mit der Kugel seiner Mütze, als ob er an einer Schellenkappe läutete. Die Pferde gingen jetzt ruhig, und wieder nordwärts lag ein Wald vor ihnen. Das Dunkel kam nicht nur von seinen Schatten; die Dämmerung war stark herabgesunken, und im Osten begann der Mond den letzten Tagschein zu besiegen. Da fuhr es vor ihnen von einer schwarzen Tanne mit einem Satz zu Boden, daß Rolf Lembeck sich jäh aus seinen Träumen aufhob. „Hallo! Was war das, Gaspard?“ rief er und riß seine zierliche Armbrust von dem Rücken. - „Eine Wildkatz, Herr! Seht nur, am Stamme sitzt sie noch, der Breitschwanz, und faucht Euch mit ihren spitzen Zähnen an!“ „Ein edel und ein übel Wild!“ sprach der Ritter leis und sprang von seinem Hengste. „Nimm ihn am Zügel, Gaspard!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk stammt von Wikisource (John_Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuus).

Quelle der Scans: Wikimedia Commons (John Riew’, Ein Fest auf Haderslevhuss).

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/145
Zitationshilfe: Storm, Theodor: John Riew', Ein Fest auf Haderslevhuus. Zwei Novellen. Berlin, 1885, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_riew_1885/145>, abgerufen am 24.11.2024.