Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.du noch nicht gesehen hast, fuhr er fort, dort kann ich dir auch die Illustration zu meiner Geschichte zeigen. Und so schlenderten wir durch den blühenden Garten nach dem Hause zurück, und betraten bald im oberen Stockwerk ein geräumiges Zimmer mit der ganzen Ausstattung eines rüstigen Malerlebens. Als Brunken die grünen Fenstervorhänge zurückgezogen hatte, entwickelte sich eine reiche Bilderschau; aber er faßte meinen Arm. Das nachher, sagte er, und führte mich vor ein kleines Bild, das seitwärts auf einer Staffelei lehnte. Es war fast dasselbe, wie jene bittere Caricatur seines eigenen Lebens, an der ich ihn einst so eifrig hatte arbeiten sehen; derselbe sonnige Park und im Vordergrunde, aus dem blühenden Rosengebüsch emporsteigend, die Statue der Venus, nur die Stellung der Figuren war eine andere. Das junge Paar, das sich früher mit übermüthigem Lachen in dem Laubgange entfernt hatte, sah man jetzt in harmloser Weltvergessenheit zu den Füßen der huldreichen Göttin. Das Mädchen, wie ruhig athmend hingestreckt, lehnte ihr Köpfchen an das Postament, während der jugendliche Cavalier, welcher dem Beschauer jetzt ebenfalls sein Antlitz zeigte, damit beschäftigt war, eine rothe Rose in ihrem Haar zu befestigen, die er augenscheinlich eben frisch vom Strauch gebrochen hatte. -- Im Hintergrunde des Bildes aber, in bescheidener Ferne, so daß sie nur bei genauerer Betrachtung bemerkt wurde, saß auf einer Bank die Gestalt meines Freundes. Bequem in die Ecke gelehnt, die du noch nicht gesehen hast, fuhr er fort, dort kann ich dir auch die Illustration zu meiner Geschichte zeigen. Und so schlenderten wir durch den blühenden Garten nach dem Hause zurück, und betraten bald im oberen Stockwerk ein geräumiges Zimmer mit der ganzen Ausstattung eines rüstigen Malerlebens. Als Brunken die grünen Fenstervorhänge zurückgezogen hatte, entwickelte sich eine reiche Bilderschau; aber er faßte meinen Arm. Das nachher, sagte er, und führte mich vor ein kleines Bild, das seitwärts auf einer Staffelei lehnte. Es war fast dasselbe, wie jene bittere Caricatur seines eigenen Lebens, an der ich ihn einst so eifrig hatte arbeiten sehen; derselbe sonnige Park und im Vordergrunde, aus dem blühenden Rosengebüsch emporsteigend, die Statue der Venus, nur die Stellung der Figuren war eine andere. Das junge Paar, das sich früher mit übermüthigem Lachen in dem Laubgange entfernt hatte, sah man jetzt in harmloser Weltvergessenheit zu den Füßen der huldreichen Göttin. Das Mädchen, wie ruhig athmend hingestreckt, lehnte ihr Köpfchen an das Postament, während der jugendliche Cavalier, welcher dem Beschauer jetzt ebenfalls sein Antlitz zeigte, damit beschäftigt war, eine rothe Rose in ihrem Haar zu befestigen, die er augenscheinlich eben frisch vom Strauch gebrochen hatte. — Im Hintergrunde des Bildes aber, in bescheidener Ferne, so daß sie nur bei genauerer Betrachtung bemerkt wurde, saß auf einer Bank die Gestalt meines Freundes. Bequem in die Ecke gelehnt, die <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0051"/> du noch nicht gesehen hast, fuhr er fort, dort kann ich dir auch die Illustration zu meiner Geschichte zeigen.</p><lb/> <p>Und so schlenderten wir durch den blühenden Garten nach dem Hause zurück, und betraten bald im oberen Stockwerk ein geräumiges Zimmer mit der ganzen Ausstattung eines rüstigen Malerlebens. Als Brunken die grünen Fenstervorhänge zurückgezogen hatte, entwickelte sich eine reiche Bilderschau; aber er faßte meinen Arm. Das nachher, sagte er, und führte mich vor ein kleines Bild, das seitwärts auf einer Staffelei lehnte.</p><lb/> <p>Es war fast dasselbe, wie jene bittere Caricatur seines eigenen Lebens, an der ich ihn einst so eifrig hatte arbeiten sehen; derselbe sonnige Park und im Vordergrunde, aus dem blühenden Rosengebüsch emporsteigend, die Statue der Venus, nur die Stellung der Figuren war eine andere. Das junge Paar, das sich früher mit übermüthigem Lachen in dem Laubgange entfernt hatte, sah man jetzt in harmloser Weltvergessenheit zu den Füßen der huldreichen Göttin. Das Mädchen, wie ruhig athmend hingestreckt, lehnte ihr Köpfchen an das Postament, während der jugendliche Cavalier, welcher dem Beschauer jetzt ebenfalls sein Antlitz zeigte, damit beschäftigt war, eine rothe Rose in ihrem Haar zu befestigen, die er augenscheinlich eben frisch vom Strauch gebrochen hatte. — Im Hintergrunde des Bildes aber, in bescheidener Ferne, so daß sie nur bei genauerer Betrachtung bemerkt wurde, saß auf einer Bank die Gestalt meines Freundes. Bequem in die Ecke gelehnt, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
du noch nicht gesehen hast, fuhr er fort, dort kann ich dir auch die Illustration zu meiner Geschichte zeigen.
Und so schlenderten wir durch den blühenden Garten nach dem Hause zurück, und betraten bald im oberen Stockwerk ein geräumiges Zimmer mit der ganzen Ausstattung eines rüstigen Malerlebens. Als Brunken die grünen Fenstervorhänge zurückgezogen hatte, entwickelte sich eine reiche Bilderschau; aber er faßte meinen Arm. Das nachher, sagte er, und führte mich vor ein kleines Bild, das seitwärts auf einer Staffelei lehnte.
Es war fast dasselbe, wie jene bittere Caricatur seines eigenen Lebens, an der ich ihn einst so eifrig hatte arbeiten sehen; derselbe sonnige Park und im Vordergrunde, aus dem blühenden Rosengebüsch emporsteigend, die Statue der Venus, nur die Stellung der Figuren war eine andere. Das junge Paar, das sich früher mit übermüthigem Lachen in dem Laubgange entfernt hatte, sah man jetzt in harmloser Weltvergessenheit zu den Füßen der huldreichen Göttin. Das Mädchen, wie ruhig athmend hingestreckt, lehnte ihr Köpfchen an das Postament, während der jugendliche Cavalier, welcher dem Beschauer jetzt ebenfalls sein Antlitz zeigte, damit beschäftigt war, eine rothe Rose in ihrem Haar zu befestigen, die er augenscheinlich eben frisch vom Strauch gebrochen hatte. — Im Hintergrunde des Bildes aber, in bescheidener Ferne, so daß sie nur bei genauerer Betrachtung bemerkt wurde, saß auf einer Bank die Gestalt meines Freundes. Bequem in die Ecke gelehnt, die
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/51>, abgerufen am 25.07.2024. |