Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.in dem Gärtchen vor seinem Hause, stand ein ältlicher Mann und rauchte behaglich seine Morgenpfeife, in dem ich sogleich den Schulmeister des Dorfes erkannte. Auf einen "Guten Morgen" erhielt ich freundliche Erwiderung und auf meine Frage, wo ich hier ein Frühstück bekommen könne, die Einladung, ins Haus zu treten und mit ihm und seiner Frau den Morgenkaffee einzunehmen. Das that ich denn, und da die Frau nicht weniger zutraulich war, so saßen wir Drei bald im schönsten Plaudern neben einander. Das Erste, was ich erfuhr, war die Geschichte jenes Schuhes, bei der mein gütiger Wirth selbst in gewisser Weise betheiligt war. -- Als eines Stubenmalers Sohn hielt er die väterliche Kunst noch so weit in Ehren, daß er seinen Schülern wöchentlich eine Stunde Zeichenunterricht ertheilte. Er verdiente damit, wie er meinte, freilich weder bei den Eltern noch Kindern besondern Dank; nur der Sohn eines wohlhabenden Bauern, welcher dem Schulhause gegenüber wohnte, hatte so viel Geschick und Eifer gezeigt, daß er bald nicht nur allerlei Dinge, die der Lehrer ihm vorgelegt, nach der Natur gezeichnet, sondern auch zu Hause und auf eigene Hand Alles abconterfeit hatte, was ihm grade in den Weg gekommen. -- So weit war Alles leidlich gut gegangen, wenn auch der alte Bauer bisweilen über die dumme Kritzelei gescholten hatte. Da mußte das Unglück, erzählte der Lehrer weiter, meinen jüngsten Bruder, welcher bei dem Berufe unseres Vaters geblieben ist, auf ein paar Wochen in dem Gärtchen vor seinem Hause, stand ein ältlicher Mann und rauchte behaglich seine Morgenpfeife, in dem ich sogleich den Schulmeister des Dorfes erkannte. Auf einen „Guten Morgen« erhielt ich freundliche Erwiderung und auf meine Frage, wo ich hier ein Frühstück bekommen könne, die Einladung, ins Haus zu treten und mit ihm und seiner Frau den Morgenkaffee einzunehmen. Das that ich denn, und da die Frau nicht weniger zutraulich war, so saßen wir Drei bald im schönsten Plaudern neben einander. Das Erste, was ich erfuhr, war die Geschichte jenes Schuhes, bei der mein gütiger Wirth selbst in gewisser Weise betheiligt war. — Als eines Stubenmalers Sohn hielt er die väterliche Kunst noch so weit in Ehren, daß er seinen Schülern wöchentlich eine Stunde Zeichenunterricht ertheilte. Er verdiente damit, wie er meinte, freilich weder bei den Eltern noch Kindern besondern Dank; nur der Sohn eines wohlhabenden Bauern, welcher dem Schulhause gegenüber wohnte, hatte so viel Geschick und Eifer gezeigt, daß er bald nicht nur allerlei Dinge, die der Lehrer ihm vorgelegt, nach der Natur gezeichnet, sondern auch zu Hause und auf eigene Hand Alles abconterfeit hatte, was ihm grade in den Weg gekommen. — So weit war Alles leidlich gut gegangen, wenn auch der alte Bauer bisweilen über die dumme Kritzelei gescholten hatte. Da mußte das Unglück, erzählte der Lehrer weiter, meinen jüngsten Bruder, welcher bei dem Berufe unseres Vaters geblieben ist, auf ein paar Wochen <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0037"/> in dem Gärtchen vor seinem Hause, stand ein ältlicher Mann und rauchte behaglich seine Morgenpfeife, in dem ich sogleich den Schulmeister des Dorfes erkannte. Auf einen „Guten Morgen« erhielt ich freundliche Erwiderung und auf meine Frage, wo ich hier ein Frühstück bekommen könne, die Einladung, ins Haus zu treten und mit ihm und seiner Frau den Morgenkaffee einzunehmen. Das that ich denn, und da die Frau nicht weniger zutraulich war, so saßen wir Drei bald im schönsten Plaudern neben einander.</p><lb/> <p>Das Erste, was ich erfuhr, war die Geschichte jenes Schuhes, bei der mein gütiger Wirth selbst in gewisser Weise betheiligt war. — Als eines Stubenmalers Sohn hielt er die väterliche Kunst noch so weit in Ehren, daß er seinen Schülern wöchentlich eine Stunde Zeichenunterricht ertheilte. Er verdiente damit, wie er meinte, freilich weder bei den Eltern noch Kindern besondern Dank; nur der Sohn eines wohlhabenden Bauern, welcher dem Schulhause gegenüber wohnte, hatte so viel Geschick und Eifer gezeigt, daß er bald nicht nur allerlei Dinge, die der Lehrer ihm vorgelegt, nach der Natur gezeichnet, sondern auch zu Hause und auf eigene Hand Alles abconterfeit hatte, was ihm grade in den Weg gekommen. — So weit war Alles leidlich gut gegangen, wenn auch der alte Bauer bisweilen über die dumme Kritzelei gescholten hatte. Da mußte das Unglück, erzählte der Lehrer weiter, meinen jüngsten Bruder, welcher bei dem Berufe unseres Vaters geblieben ist, auf ein paar Wochen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
in dem Gärtchen vor seinem Hause, stand ein ältlicher Mann und rauchte behaglich seine Morgenpfeife, in dem ich sogleich den Schulmeister des Dorfes erkannte. Auf einen „Guten Morgen« erhielt ich freundliche Erwiderung und auf meine Frage, wo ich hier ein Frühstück bekommen könne, die Einladung, ins Haus zu treten und mit ihm und seiner Frau den Morgenkaffee einzunehmen. Das that ich denn, und da die Frau nicht weniger zutraulich war, so saßen wir Drei bald im schönsten Plaudern neben einander.
Das Erste, was ich erfuhr, war die Geschichte jenes Schuhes, bei der mein gütiger Wirth selbst in gewisser Weise betheiligt war. — Als eines Stubenmalers Sohn hielt er die väterliche Kunst noch so weit in Ehren, daß er seinen Schülern wöchentlich eine Stunde Zeichenunterricht ertheilte. Er verdiente damit, wie er meinte, freilich weder bei den Eltern noch Kindern besondern Dank; nur der Sohn eines wohlhabenden Bauern, welcher dem Schulhause gegenüber wohnte, hatte so viel Geschick und Eifer gezeigt, daß er bald nicht nur allerlei Dinge, die der Lehrer ihm vorgelegt, nach der Natur gezeichnet, sondern auch zu Hause und auf eigene Hand Alles abconterfeit hatte, was ihm grade in den Weg gekommen. — So weit war Alles leidlich gut gegangen, wenn auch der alte Bauer bisweilen über die dumme Kritzelei gescholten hatte. Da mußte das Unglück, erzählte der Lehrer weiter, meinen jüngsten Bruder, welcher bei dem Berufe unseres Vaters geblieben ist, auf ein paar Wochen
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/37>, abgerufen am 16.02.2025. |