Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

zupfte er die kleine Schöne ein paar Mal derb an ihren braunen Flechten. Nicht wahr, fuhr er zu mir gewendet fort, du trittst hier in ein kinderreiches Haus! Und sind sie auch nicht so ganz mein eigen, so hab' ich doch ein gutes Theil an ihnen.

Er mußte inne halten, der Athem fing ihm endlich an zu fehlen. Und es brauchte auch keiner weitern Auseinandersetzung; das Mädchen hatte die Arme auf dem Rücken zusammengeschränkt und sah mit den glücklichsten Augen in das geröthete Antlitz des kleinen aufgeregten Oheims.

Aber Edde? bemerkte jetzt die Schwester, indem sie fragend von ihm zu mir herüberblickte.

Er hatte sie sogleich verstanden. Ja so, wer das ist? rief er. Den kennt ihr alle; das ist der Arnold, der Doctor; er kommt grade, da die Rosen blühen; und nun soll es auf der Villa Brunken ein paar seelenfrohe Tage geben!

Und in der That, heiter war es auf der Villa Brunken. Nach dem herzlichsten Willkommen saß ich bald unter diesen lieben Menschen an einer wohlgedeckten Mittagstafel in dem freundlichen Gartensaal, dessen Flügelthüren auf die Terrasse hinaus geöffnet blieben; und während wir plauderten und genossen, wehten von Zeit zu Zeit die vorbeiziehenden Sommerlüfte eine ganze Wolke von Rosenduft zu uns herein. -- Nachher verstand es sich von selbst, daß ich zur Mittagsruhe in ein kühles Gastzimmerchen verwiesen wurde, das man

zupfte er die kleine Schöne ein paar Mal derb an ihren braunen Flechten. Nicht wahr, fuhr er zu mir gewendet fort, du trittst hier in ein kinderreiches Haus! Und sind sie auch nicht so ganz mein eigen, so hab' ich doch ein gutes Theil an ihnen.

Er mußte inne halten, der Athem fing ihm endlich an zu fehlen. Und es brauchte auch keiner weitern Auseinandersetzung; das Mädchen hatte die Arme auf dem Rücken zusammengeschränkt und sah mit den glücklichsten Augen in das geröthete Antlitz des kleinen aufgeregten Oheims.

Aber Edde? bemerkte jetzt die Schwester, indem sie fragend von ihm zu mir herüberblickte.

Er hatte sie sogleich verstanden. Ja so, wer das ist? rief er. Den kennt ihr alle; das ist der Arnold, der Doctor; er kommt grade, da die Rosen blühen; und nun soll es auf der Villa Brunken ein paar seelenfrohe Tage geben!

Und in der That, heiter war es auf der Villa Brunken. Nach dem herzlichsten Willkommen saß ich bald unter diesen lieben Menschen an einer wohlgedeckten Mittagstafel in dem freundlichen Gartensaal, dessen Flügelthüren auf die Terrasse hinaus geöffnet blieben; und während wir plauderten und genossen, wehten von Zeit zu Zeit die vorbeiziehenden Sommerlüfte eine ganze Wolke von Rosenduft zu uns herein. — Nachher verstand es sich von selbst, daß ich zur Mittagsruhe in ein kühles Gastzimmerchen verwiesen wurde, das man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0032"/>
zupfte er die kleine Schöne ein paar Mal derb an ihren      braunen Flechten. Nicht wahr, fuhr er zu mir gewendet fort, du trittst hier in ein      kinderreiches Haus! Und sind sie auch nicht so ganz mein eigen, so hab' ich doch ein gutes      Theil an ihnen.</p><lb/>
        <p>Er mußte inne halten, der Athem fing ihm endlich an zu fehlen. Und es brauchte auch keiner      weitern Auseinandersetzung; das Mädchen hatte die Arme auf dem Rücken zusammengeschränkt und      sah mit den glücklichsten Augen in das geröthete Antlitz des kleinen aufgeregten Oheims.</p><lb/>
        <p>Aber Edde? bemerkte jetzt die Schwester, indem sie fragend von ihm zu mir herüberblickte.</p><lb/>
        <p>Er hatte sie sogleich verstanden. Ja so, wer das ist? rief er. Den kennt ihr alle; das ist      der Arnold, der Doctor; er kommt grade, da die Rosen blühen; und nun soll es auf der Villa      Brunken ein paar seelenfrohe Tage geben!</p><lb/>
        <p>Und in der That, heiter war es auf der Villa Brunken. Nach dem herzlichsten Willkommen saß      ich bald unter diesen lieben Menschen an einer wohlgedeckten Mittagstafel in dem freundlichen      Gartensaal, dessen Flügelthüren auf die Terrasse hinaus geöffnet blieben; und während wir      plauderten und genossen, wehten von Zeit zu Zeit die vorbeiziehenden Sommerlüfte eine ganze      Wolke von Rosenduft zu uns herein. &#x2014; Nachher verstand es sich von selbst, daß ich zur      Mittagsruhe in ein kühles Gastzimmerchen verwiesen wurde, das man<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0032] zupfte er die kleine Schöne ein paar Mal derb an ihren braunen Flechten. Nicht wahr, fuhr er zu mir gewendet fort, du trittst hier in ein kinderreiches Haus! Und sind sie auch nicht so ganz mein eigen, so hab' ich doch ein gutes Theil an ihnen. Er mußte inne halten, der Athem fing ihm endlich an zu fehlen. Und es brauchte auch keiner weitern Auseinandersetzung; das Mädchen hatte die Arme auf dem Rücken zusammengeschränkt und sah mit den glücklichsten Augen in das geröthete Antlitz des kleinen aufgeregten Oheims. Aber Edde? bemerkte jetzt die Schwester, indem sie fragend von ihm zu mir herüberblickte. Er hatte sie sogleich verstanden. Ja so, wer das ist? rief er. Den kennt ihr alle; das ist der Arnold, der Doctor; er kommt grade, da die Rosen blühen; und nun soll es auf der Villa Brunken ein paar seelenfrohe Tage geben! Und in der That, heiter war es auf der Villa Brunken. Nach dem herzlichsten Willkommen saß ich bald unter diesen lieben Menschen an einer wohlgedeckten Mittagstafel in dem freundlichen Gartensaal, dessen Flügelthüren auf die Terrasse hinaus geöffnet blieben; und während wir plauderten und genossen, wehten von Zeit zu Zeit die vorbeiziehenden Sommerlüfte eine ganze Wolke von Rosenduft zu uns herein. — Nachher verstand es sich von selbst, daß ich zur Mittagsruhe in ein kühles Gastzimmerchen verwiesen wurde, das man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:17:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:17:45Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/32
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/32>, abgerufen am 24.11.2024.