Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.innere Wohlgestalt und den edlen Klang der Stimme, die eigentlich sein eigen waren, aber es suchte vergebens die abschreckende Hülle zu sprengen, die Alles in bösem Zauberbann verschloß. Der Erzähler hielt erschöpft inne, eine unheimliche Erregung brannte in seinen Augen. Brunken, sagte ich, besinne dich! Ist das ein Kindermärchen, was du da erzählst? Es gilt wenigstens dafür! erwiderte er. Aber ehe wir Zeit fanden, unser Gespräch fortzusetzen, bemerkte ich, daß Gertrud aufgestanden war und zwischen den Bäumen fortging. Ich sprang auf. Erzähle den Kindern deine Geschichte zu Ende! sagte ich und folgte dem Mädchen, die schon hinter dem niederhängenden Gezweig verschwunden war. Auch fand ich sie bald; in einer kleinen Lichtung sah ich sie am Boden liegen, ihr Gesichtchen in das Moos gedrückt; ich hörte, wie sie wimmernd vor sich hin sprach: Was fang' ich an, was fang' ich an! -- Als ich hinzutrat und ihren Arm berührte, sprang sie auf und schüttelte die erhobenen Hände, ganz wie ein verzweifeltes Kind.. Gerte, was ist? fragte ich. O Gott, rief sie, ohne von ihrem kindlichen Gebahren abzulassen, er liebt mich, o, es ist ganz gewiß, daß er mich liebt! Wer denn? Ist denn das so fürchterlich? Sie antwortete nicht, sondern sah mich nur mit großen hülflosen Augen an. Da ich aber Miene machte, innere Wohlgestalt und den edlen Klang der Stimme, die eigentlich sein eigen waren, aber es suchte vergebens die abschreckende Hülle zu sprengen, die Alles in bösem Zauberbann verschloß. Der Erzähler hielt erschöpft inne, eine unheimliche Erregung brannte in seinen Augen. Brunken, sagte ich, besinne dich! Ist das ein Kindermärchen, was du da erzählst? Es gilt wenigstens dafür! erwiderte er. Aber ehe wir Zeit fanden, unser Gespräch fortzusetzen, bemerkte ich, daß Gertrud aufgestanden war und zwischen den Bäumen fortging. Ich sprang auf. Erzähle den Kindern deine Geschichte zu Ende! sagte ich und folgte dem Mädchen, die schon hinter dem niederhängenden Gezweig verschwunden war. Auch fand ich sie bald; in einer kleinen Lichtung sah ich sie am Boden liegen, ihr Gesichtchen in das Moos gedrückt; ich hörte, wie sie wimmernd vor sich hin sprach: Was fang' ich an, was fang' ich an! — Als ich hinzutrat und ihren Arm berührte, sprang sie auf und schüttelte die erhobenen Hände, ganz wie ein verzweifeltes Kind.. Gerte, was ist? fragte ich. O Gott, rief sie, ohne von ihrem kindlichen Gebahren abzulassen, er liebt mich, o, es ist ganz gewiß, daß er mich liebt! Wer denn? Ist denn das so fürchterlich? Sie antwortete nicht, sondern sah mich nur mit großen hülflosen Augen an. Da ich aber Miene machte, <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0025"/> innere Wohlgestalt und den edlen Klang der Stimme, die eigentlich sein eigen waren, aber es suchte vergebens die abschreckende Hülle zu sprengen, die Alles in bösem Zauberbann verschloß.</p><lb/> <p>Der Erzähler hielt erschöpft inne, eine unheimliche Erregung brannte in seinen Augen.</p><lb/> <p>Brunken, sagte ich, besinne dich! Ist das ein Kindermärchen, was du da erzählst?</p><lb/> <p>Es gilt wenigstens dafür! erwiderte er.</p><lb/> <p>Aber ehe wir Zeit fanden, unser Gespräch fortzusetzen, bemerkte ich, daß Gertrud aufgestanden war und zwischen den Bäumen fortging. Ich sprang auf. Erzähle den Kindern deine Geschichte zu Ende! sagte ich und folgte dem Mädchen, die schon hinter dem niederhängenden Gezweig verschwunden war. Auch fand ich sie bald; in einer kleinen Lichtung sah ich sie am Boden liegen, ihr Gesichtchen in das Moos gedrückt; ich hörte, wie sie wimmernd vor sich hin sprach: Was fang' ich an, was fang' ich an! — Als ich hinzutrat und ihren Arm berührte, sprang sie auf und schüttelte die erhobenen Hände, ganz wie ein verzweifeltes Kind..</p><lb/> <p>Gerte, was ist? fragte ich.</p><lb/> <p>O Gott, rief sie, ohne von ihrem kindlichen Gebahren abzulassen, er liebt mich, o, es ist ganz gewiß, daß er mich liebt!</p><lb/> <p>Wer denn? Ist denn das so fürchterlich?</p><lb/> <p>Sie antwortete nicht, sondern sah mich nur mit großen hülflosen Augen an. Da ich aber Miene machte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
innere Wohlgestalt und den edlen Klang der Stimme, die eigentlich sein eigen waren, aber es suchte vergebens die abschreckende Hülle zu sprengen, die Alles in bösem Zauberbann verschloß.
Der Erzähler hielt erschöpft inne, eine unheimliche Erregung brannte in seinen Augen.
Brunken, sagte ich, besinne dich! Ist das ein Kindermärchen, was du da erzählst?
Es gilt wenigstens dafür! erwiderte er.
Aber ehe wir Zeit fanden, unser Gespräch fortzusetzen, bemerkte ich, daß Gertrud aufgestanden war und zwischen den Bäumen fortging. Ich sprang auf. Erzähle den Kindern deine Geschichte zu Ende! sagte ich und folgte dem Mädchen, die schon hinter dem niederhängenden Gezweig verschwunden war. Auch fand ich sie bald; in einer kleinen Lichtung sah ich sie am Boden liegen, ihr Gesichtchen in das Moos gedrückt; ich hörte, wie sie wimmernd vor sich hin sprach: Was fang' ich an, was fang' ich an! — Als ich hinzutrat und ihren Arm berührte, sprang sie auf und schüttelte die erhobenen Hände, ganz wie ein verzweifeltes Kind..
Gerte, was ist? fragte ich.
O Gott, rief sie, ohne von ihrem kindlichen Gebahren abzulassen, er liebt mich, o, es ist ganz gewiß, daß er mich liebt!
Wer denn? Ist denn das so fürchterlich?
Sie antwortete nicht, sondern sah mich nur mit großen hülflosen Augen an. Da ich aber Miene machte,
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/25>, abgerufen am 25.07.2024. |