Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.Allmählig wurde auch das tiefe Blau des Nachthim¬ Allmählig wurde auch das tiefe Blau des Nachthim¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="59"/> Allmählig wurde auch das tiefe Blau des Nachthim¬<lb/> mels von Oſten her durch einen blaßgelben Schimmer<lb/> verdrängt; ein friſcher Wind erhob ſich und ſtreifte<lb/> Reinhards heiße Stirn: die erſte Lerche ſtieg jauch¬<lb/> zend in die Luft. — Reinhardt kehrte ſich plötzlich um<lb/> und trat an den Tiſch; er tappte nach einem Bleiſtift,<lb/> und als er dieſen gefunden, ſetzte er ſich und ſchrieb<lb/> damit einige Zeilen auf einen weißen Bogen Papier.<lb/> Nachdem er hiemit fertig war, nahm er Hut und Stock<lb/> und das Papier zurücklaſſend, öffnete er behutſam die<lb/> Thür und ſtieg in den Flur hinab. — Die Morgen¬<lb/> dämmerung ruhte noch in allen Winkeln; die große<lb/> Hauskatze dehnte ſich auf der Strohmatte und ſträubte<lb/> den Rücken gegen ſeine Hand, die er gedankenlos ent¬<lb/> gegenhielt. Draußen im Garten aber prieſterten ſchon<lb/> die Sperlinge von den Zweigen und ſagten es allen,<lb/> daß die Nacht vorbei ſei. Da hörte er oben im Hauſe<lb/> eine Thür gehen; es kam die Treppe herunter, und<lb/> als er aufſah, ſtand Eliſabeth vor ihm. Sie legte die<lb/> Hand auf ſeinen Arm, ſie bewegte die Lippen, aber er<lb/> hörte keine Worte. Du kommſt nicht wieder, ſagte<lb/> ſie endlich. Ich weiß es, lüge nicht; du kommſt nie<lb/> wieder.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [59/0065]
Allmählig wurde auch das tiefe Blau des Nachthim¬
mels von Oſten her durch einen blaßgelben Schimmer
verdrängt; ein friſcher Wind erhob ſich und ſtreifte
Reinhards heiße Stirn: die erſte Lerche ſtieg jauch¬
zend in die Luft. — Reinhardt kehrte ſich plötzlich um
und trat an den Tiſch; er tappte nach einem Bleiſtift,
und als er dieſen gefunden, ſetzte er ſich und ſchrieb
damit einige Zeilen auf einen weißen Bogen Papier.
Nachdem er hiemit fertig war, nahm er Hut und Stock
und das Papier zurücklaſſend, öffnete er behutſam die
Thür und ſtieg in den Flur hinab. — Die Morgen¬
dämmerung ruhte noch in allen Winkeln; die große
Hauskatze dehnte ſich auf der Strohmatte und ſträubte
den Rücken gegen ſeine Hand, die er gedankenlos ent¬
gegenhielt. Draußen im Garten aber prieſterten ſchon
die Sperlinge von den Zweigen und ſagten es allen,
daß die Nacht vorbei ſei. Da hörte er oben im Hauſe
eine Thür gehen; es kam die Treppe herunter, und
als er aufſah, ſtand Eliſabeth vor ihm. Sie legte die
Hand auf ſeinen Arm, ſie bewegte die Lippen, aber er
hörte keine Worte. Du kommſt nicht wieder, ſagte
ſie endlich. Ich weiß es, lüge nicht; du kommſt nie
wieder.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeTheodor Storms Novelle "Immensee" erschien zuerst… [mehr] Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |