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Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

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merung; auf Elisabeths Nähtisch lag ein rothes Band,
das sie am Nachmittag um den Hals getragen hatte.
Er nahm es in die Hand, aber es that ihm weh, und
er legte es wieder hin. Er hatte keine Ruh, er ging
an den See hinab und band den Kahn los; er ruderte
hinüber und ging noch einmal alle Wege, die er kurz
vorher mit Elisabeth zusammen gegangen war. Als
er wieder nach Hause kam, war es dunkel; auf dem
Hofe begegnete ihm der Kutscher, der die Wagenpferde
ins Gras bringen wollte; die Reisenden waren eben
zurückgekehrt. Bei seinem Eintritt in den Hausflur
hörte er Erich im Gartensaal auf- und abschreiten.
Er ging nicht zu ihm hinein; er stand einen Augen¬
blick still, und stieg dann leise die Treppe hinauf nach
seinem Zimmer. Hier setzte er sich in den Lehnstuhl
ans Fenster; er that vor sich selbst, als wolle er die
Nachtigall hören, die unten in den Taxuswänden
schlug; aber er hörte nur den Schlag seines eigenen
Herzens. Unter ihm im Hause ging Alles zur Ruh,
die Nacht verrann, er fühlte es nicht. -- So saß er
stundenlang. Endlich stand er auf und legte sich ins
offene Fenster. Der Nachtthau rieselte zwischen den
Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu schlagen

merung; auf Eliſabeths Nähtiſch lag ein rothes Band,
das ſie am Nachmittag um den Hals getragen hatte.
Er nahm es in die Hand, aber es that ihm weh, und
er legte es wieder hin. Er hatte keine Ruh, er ging
an den See hinab und band den Kahn los; er ruderte
hinüber und ging noch einmal alle Wege, die er kurz
vorher mit Eliſabeth zuſammen gegangen war. Als
er wieder nach Hauſe kam, war es dunkel; auf dem
Hofe begegnete ihm der Kutſcher, der die Wagenpferde
ins Gras bringen wollte; die Reiſenden waren eben
zurückgekehrt. Bei ſeinem Eintritt in den Hausflur
hörte er Erich im Gartenſaal auf- und abſchreiten.
Er ging nicht zu ihm hinein; er ſtand einen Augen¬
blick ſtill, und ſtieg dann leiſe die Treppe hinauf nach
ſeinem Zimmer. Hier ſetzte er ſich in den Lehnſtuhl
ans Fenſter; er that vor ſich ſelbſt, als wolle er die
Nachtigall hören, die unten in den Taxuswänden
ſchlug; aber er hörte nur den Schlag ſeines eigenen
Herzens. Unter ihm im Hauſe ging Alles zur Ruh,
die Nacht verrann, er fühlte es nicht. — So ſaß er
ſtundenlang. Endlich ſtand er auf und legte ſich ins
offene Fenſter. Der Nachtthau rieſelte zwiſchen den
Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu ſchlagen

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[58/0064] merung; auf Eliſabeths Nähtiſch lag ein rothes Band, das ſie am Nachmittag um den Hals getragen hatte. Er nahm es in die Hand, aber es that ihm weh, und er legte es wieder hin. Er hatte keine Ruh, er ging an den See hinab und band den Kahn los; er ruderte hinüber und ging noch einmal alle Wege, die er kurz vorher mit Eliſabeth zuſammen gegangen war. Als er wieder nach Hauſe kam, war es dunkel; auf dem Hofe begegnete ihm der Kutſcher, der die Wagenpferde ins Gras bringen wollte; die Reiſenden waren eben zurückgekehrt. Bei ſeinem Eintritt in den Hausflur hörte er Erich im Gartenſaal auf- und abſchreiten. Er ging nicht zu ihm hinein; er ſtand einen Augen¬ blick ſtill, und ſtieg dann leiſe die Treppe hinauf nach ſeinem Zimmer. Hier ſetzte er ſich in den Lehnſtuhl ans Fenſter; er that vor ſich ſelbſt, als wolle er die Nachtigall hören, die unten in den Taxuswänden ſchlug; aber er hörte nur den Schlag ſeines eigenen Herzens. Unter ihm im Hauſe ging Alles zur Ruh, die Nacht verrann, er fühlte es nicht. — So ſaß er ſtundenlang. Endlich ſtand er auf und legte ſich ins offene Fenſter. Der Nachtthau rieſelte zwiſchen den Blättern, die Nachtigall hatte aufgehört zu ſchlagen

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/64>, abgerufen am 25.11.2024.