Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.Sie sitzt im Thymiane, Sie sitzt in lauter Duft; Die blauen Fliegen summen Und blitzen durch die Luft. Es steht der Wald so schweigend, Sie schaut so klug darein; Um ihre braunen Locken Hinfließt der Sonnenschein. Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn: Sie hat die goldnen Augen Der Waldeskönigin. So war sie nicht allein sein Schützling; sie war ihm Da stand das Kind am Wege. Weihnachtabend kam heran. -- Es war noch Nach¬ Sie ſitzt im Thymiane, Sie ſitzt in lauter Duft; Die blauen Fliegen ſummen Und blitzen durch die Luft. Es ſteht der Wald ſo ſchweigend, Sie ſchaut ſo klug darein; Um ihre braunen Locken Hinfließt der Sonnenſchein. Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn: Sie hat die goldnen Augen Der Waldeskönigin. So war ſie nicht allein ſein Schützling; ſie war ihm Da ſtand das Kind am Wege. Weihnachtabend kam heran. — Es war noch Nach¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0027" n="21"/> <lg n="2"> <l>Sie ſitzt im Thymiane,</l><lb/> <l>Sie ſitzt in lauter Duft;</l><lb/> <l>Die blauen Fliegen ſummen</l><lb/> <l>Und blitzen durch die Luft.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Es ſteht der Wald ſo ſchweigend,</l><lb/> <l>Sie ſchaut ſo klug darein;</l><lb/> <l>Um ihre braunen Locken</l><lb/> <l>Hinfließt der Sonnenſchein.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Der Kuckuck lacht von ferne,</l><lb/> <l>Es geht mir durch den Sinn:</l><lb/> <l>Sie hat die goldnen Augen</l><lb/> <l>Der Waldeskönigin.</l><lb/> </lg> </lg> <p>So war ſie nicht allein ſein Schützling; ſie war ihm<lb/> auch der Ausdruck für alles Liebliche und Wunderbare<lb/> ſeines aufgehenden Lebens.</p><lb/> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Da ſtand das Kind am Wege.</hi><lb/> </head> <p>Weihnachtabend kam heran. — Es war noch Nach¬<lb/> mittags, als Reinhardt mit andern Studenten im<lb/> Rathskeller am alten Eichentiſch zuſammen ſaß. Die<lb/> Lampen an den Wänden waren angezündet, denn hier<lb/> unten dämmerte es ſchon; aber die Gäſte waren ſpar¬<lb/> ſam verſammelt, die Kellner lehnten müßig an den<lb/> Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewölbes<lb/> ſaßen ein Geigenſpieler und ein Zittermädchen mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0027]
Sie ſitzt im Thymiane,
Sie ſitzt in lauter Duft;
Die blauen Fliegen ſummen
Und blitzen durch die Luft.
Es ſteht der Wald ſo ſchweigend,
Sie ſchaut ſo klug darein;
Um ihre braunen Locken
Hinfließt der Sonnenſchein.
Der Kuckuck lacht von ferne,
Es geht mir durch den Sinn:
Sie hat die goldnen Augen
Der Waldeskönigin.
So war ſie nicht allein ſein Schützling; ſie war ihm
auch der Ausdruck für alles Liebliche und Wunderbare
ſeines aufgehenden Lebens.
Da ſtand das Kind am Wege.
Weihnachtabend kam heran. — Es war noch Nach¬
mittags, als Reinhardt mit andern Studenten im
Rathskeller am alten Eichentiſch zuſammen ſaß. Die
Lampen an den Wänden waren angezündet, denn hier
unten dämmerte es ſchon; aber die Gäſte waren ſpar¬
ſam verſammelt, die Kellner lehnten müßig an den
Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewölbes
ſaßen ein Geigenſpieler und ein Zittermädchen mit
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/27>, abgerufen am 16.07.2024. |