Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

und lauschte aufmerksam nach allen Seiten; Reinhardt
saß einige Schritte davon auf einem Baumstumpf und
sah schweigend nach ihr hinüber. Die Sonne stand
gerade über ihnen; es war glühende Mittagshitze;
kleine goldglänzende, stahlblaue Fliegen standen flügel¬
schwingend in der Luft; rings um sie her ein feines
Schwirren und Summen, und manchmal hörte man
tief im Walde das Hämmern der Spechte und das
Kreischen der andern Waldvögel.

Horch, sagte Elisabeth, es läutet.

Wo? fragte Reinhardt.

Hinter uns. Hörst du? Es ist Mittag.

Dann liegt hinter uns die Stadt; und wenn wir
in dieser Richtung gerade durchgehen, so müssen wir
die Andern treffen.

So traten sie ihren Rückweg an; das Erdbeeren¬
suchen hatten sie aufgegeben, denn Elisabeth war
müde geworden. Endlich klang zwischen den Bäumen
hindurch das Lachen der Gesellschaft; dann sahen sie
auch ein weißes Tuch am Boden schimmern, das war
die Tafel, und darauf standen Erdbeeren in Hülle
und Fülle. Der alte Herr hatte eine Serviette im
Knopfloch und den Jungen die Fortsetzung sei¬

2*

und lauſchte aufmerkſam nach allen Seiten; Reinhardt
ſaß einige Schritte davon auf einem Baumſtumpf und
ſah ſchweigend nach ihr hinüber. Die Sonne ſtand
gerade über ihnen; es war glühende Mittagshitze;
kleine goldglänzende, ſtahlblaue Fliegen ſtanden flügel¬
ſchwingend in der Luft; rings um ſie her ein feines
Schwirren und Summen, und manchmal hörte man
tief im Walde das Hämmern der Spechte und das
Kreiſchen der andern Waldvögel.

Horch, ſagte Eliſabeth, es läutet.

Wo? fragte Reinhardt.

Hinter uns. Hörſt du? Es iſt Mittag.

Dann liegt hinter uns die Stadt; und wenn wir
in dieſer Richtung gerade durchgehen, ſo müſſen wir
die Andern treffen.

So traten ſie ihren Rückweg an; das Erdbeeren¬
ſuchen hatten ſie aufgegeben, denn Eliſabeth war
müde geworden. Endlich klang zwiſchen den Bäumen
hindurch das Lachen der Geſellſchaft; dann ſahen ſie
auch ein weißes Tuch am Boden ſchimmern, das war
die Tafel, und darauf ſtanden Erdbeeren in Hülle
und Fülle. Der alte Herr hatte eine Serviette im
Knopfloch und den Jungen die Fortſetzung ſei¬

2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="19"/>
und lau&#x017F;chte aufmerk&#x017F;am nach allen Seiten; Reinhardt<lb/>
&#x017F;aß einige Schritte davon auf einem Baum&#x017F;tumpf und<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;chweigend nach ihr hinüber. Die Sonne &#x017F;tand<lb/>
gerade über ihnen; es war glühende Mittagshitze;<lb/>
kleine goldglänzende, &#x017F;tahlblaue Fliegen &#x017F;tanden flügel¬<lb/>
&#x017F;chwingend in der Luft; rings um &#x017F;ie her ein feines<lb/>
Schwirren und Summen, und manchmal hörte man<lb/>
tief im Walde das Hämmern der Spechte und das<lb/>
Krei&#x017F;chen der andern Waldvögel.</p><lb/>
        <p>Horch, &#x017F;agte Eli&#x017F;abeth, es läutet.</p><lb/>
        <p>Wo? fragte Reinhardt.</p><lb/>
        <p>Hinter uns. Hör&#x017F;t du? Es i&#x017F;t Mittag.</p><lb/>
        <p>Dann liegt hinter uns die Stadt; und wenn wir<lb/>
in die&#x017F;er Richtung gerade durchgehen, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
die Andern treffen.</p><lb/>
        <p>So traten &#x017F;ie ihren Rückweg an; das Erdbeeren¬<lb/>
&#x017F;uchen hatten &#x017F;ie aufgegeben, denn Eli&#x017F;abeth war<lb/>
müde geworden. Endlich klang zwi&#x017F;chen den Bäumen<lb/>
hindurch das Lachen der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft; dann &#x017F;ahen &#x017F;ie<lb/>
auch ein weißes Tuch am Boden &#x017F;chimmern, das war<lb/>
die Tafel, und darauf &#x017F;tanden Erdbeeren in Hülle<lb/>
und Fülle. Der alte Herr hatte eine Serviette im<lb/>
Knopfloch und den Jungen die Fort&#x017F;etzung &#x017F;ei¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0025] und lauſchte aufmerkſam nach allen Seiten; Reinhardt ſaß einige Schritte davon auf einem Baumſtumpf und ſah ſchweigend nach ihr hinüber. Die Sonne ſtand gerade über ihnen; es war glühende Mittagshitze; kleine goldglänzende, ſtahlblaue Fliegen ſtanden flügel¬ ſchwingend in der Luft; rings um ſie her ein feines Schwirren und Summen, und manchmal hörte man tief im Walde das Hämmern der Spechte und das Kreiſchen der andern Waldvögel. Horch, ſagte Eliſabeth, es läutet. Wo? fragte Reinhardt. Hinter uns. Hörſt du? Es iſt Mittag. Dann liegt hinter uns die Stadt; und wenn wir in dieſer Richtung gerade durchgehen, ſo müſſen wir die Andern treffen. So traten ſie ihren Rückweg an; das Erdbeeren¬ ſuchen hatten ſie aufgegeben, denn Eliſabeth war müde geworden. Endlich klang zwiſchen den Bäumen hindurch das Lachen der Geſellſchaft; dann ſahen ſie auch ein weißes Tuch am Boden ſchimmern, das war die Tafel, und darauf ſtanden Erdbeeren in Hülle und Fülle. Der alte Herr hatte eine Serviette im Knopfloch und den Jungen die Fortſetzung ſei¬ 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Theodor Storms Novelle "Immensee" erschien zuerst… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/25
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/25>, abgerufen am 24.11.2024.