Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Jungen waren derselben Meinung, und began¬
nen sich paarweise auf die Fahrt zu machen.

Komm, Elisabeth, sagte Reinhardt, ich weiß einen
Erdbeerenschlag; du sollst kein trocknes Brod essen.

Elisabeth knüpfte die grünen Bänder ihres Stroh¬
huts zusammen, und hing ihn über den Arm. So
komm, sagte sie, der Korb ist fertig.

Dann gingen sie in den Wald hinein, tiefer und
tiefer; durch feuchte undurchdringliche Baumschatten,
wo Alles still war, nur unsichtbar über ihnen in den
Lüften das Geschrei der Falken; dann wieder durch
dichtes Gestrüpp, so dicht, daß Reinhardt vorangehen
mußte, um einen Pfad zu machen, hier einen Zweig
zu knicken, dort eine Ranke bei Seite zu biegen.
Bald aber hörte er hinter sich Elisabeth seinen Namen
rufen. Er wandte sich um. Reinhardt! rief sie,
warte doch, Reinhardt! -- Er konnte sie nicht gewahr
werden; endlich sah, er sie in einiger Entfernung
mit den Sträuchern kämpfen; ihr feines Köpfchen
schwamm nur kaum über den Spitzen der Farren¬
kräuter. Nun ging er noch einmal zurück, und führte
sie durch das Wirrniß der Kräuter und Stauden auf
einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwischen

Die Jungen waren derſelben Meinung, und began¬
nen ſich paarweiſe auf die Fahrt zu machen.

Komm, Eliſabeth, ſagte Reinhardt, ich weiß einen
Erdbeerenſchlag; du ſollſt kein trocknes Brod eſſen.

Eliſabeth knüpfte die grünen Bänder ihres Stroh¬
huts zuſammen, und hing ihn über den Arm. So
komm, ſagte ſie, der Korb iſt fertig.

Dann gingen ſie in den Wald hinein, tiefer und
tiefer; durch feuchte undurchdringliche Baumſchatten,
wo Alles ſtill war, nur unſichtbar über ihnen in den
Lüften das Geſchrei der Falken; dann wieder durch
dichtes Geſtrüpp, ſo dicht, daß Reinhardt vorangehen
mußte, um einen Pfad zu machen, hier einen Zweig
zu knicken, dort eine Ranke bei Seite zu biegen.
Bald aber hörte er hinter ſich Eliſabeth ſeinen Namen
rufen. Er wandte ſich um. Reinhardt! rief ſie,
warte doch, Reinhardt! — Er konnte ſie nicht gewahr
werden; endlich ſah, er ſie in einiger Entfernung
mit den Sträuchern kämpfen; ihr feines Köpfchen
ſchwamm nur kaum über den Spitzen der Farren¬
kräuter. Nun ging er noch einmal zurück, und führte
ſie durch das Wirrniß der Kräuter und Stauden auf
einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwiſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0022" n="16"/>
        <p>Die Jungen waren der&#x017F;elben Meinung, und began¬<lb/>
nen &#x017F;ich paarwei&#x017F;e auf die Fahrt zu machen.</p><lb/>
        <p>Komm, Eli&#x017F;abeth, &#x017F;agte Reinhardt, ich weiß einen<lb/>
Erdbeeren&#x017F;chlag; du &#x017F;oll&#x017F;t kein trocknes Brod e&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Eli&#x017F;abeth knüpfte die grünen Bänder ihres Stroh¬<lb/>
huts zu&#x017F;ammen, und hing ihn über den Arm. So<lb/>
komm, &#x017F;agte &#x017F;ie, der Korb i&#x017F;t fertig.</p><lb/>
        <p>Dann gingen &#x017F;ie in den Wald hinein, tiefer und<lb/>
tiefer; durch feuchte undurchdringliche Baum&#x017F;chatten,<lb/>
wo Alles &#x017F;till war, nur un&#x017F;ichtbar über ihnen in den<lb/>
Lüften das Ge&#x017F;chrei der Falken; dann wieder durch<lb/>
dichtes Ge&#x017F;trüpp, &#x017F;o dicht, daß Reinhardt vorangehen<lb/>
mußte, um einen Pfad zu machen, hier einen Zweig<lb/>
zu knicken, dort eine Ranke bei Seite zu biegen.<lb/>
Bald aber hörte er hinter &#x017F;ich Eli&#x017F;abeth &#x017F;einen Namen<lb/>
rufen. Er wandte &#x017F;ich um. Reinhardt! rief &#x017F;ie,<lb/>
warte doch, Reinhardt! &#x2014; Er konnte &#x017F;ie nicht gewahr<lb/>
werden; endlich &#x017F;ah, er &#x017F;ie in einiger Entfernung<lb/>
mit den Sträuchern kämpfen; ihr feines Köpfchen<lb/>
&#x017F;chwamm nur kaum über den Spitzen der Farren¬<lb/>
kräuter. Nun ging er noch einmal zurück, und führte<lb/>
&#x017F;ie durch das Wirrniß der Kräuter und Stauden auf<lb/>
einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwi&#x017F;chen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0022] Die Jungen waren derſelben Meinung, und began¬ nen ſich paarweiſe auf die Fahrt zu machen. Komm, Eliſabeth, ſagte Reinhardt, ich weiß einen Erdbeerenſchlag; du ſollſt kein trocknes Brod eſſen. Eliſabeth knüpfte die grünen Bänder ihres Stroh¬ huts zuſammen, und hing ihn über den Arm. So komm, ſagte ſie, der Korb iſt fertig. Dann gingen ſie in den Wald hinein, tiefer und tiefer; durch feuchte undurchdringliche Baumſchatten, wo Alles ſtill war, nur unſichtbar über ihnen in den Lüften das Geſchrei der Falken; dann wieder durch dichtes Geſtrüpp, ſo dicht, daß Reinhardt vorangehen mußte, um einen Pfad zu machen, hier einen Zweig zu knicken, dort eine Ranke bei Seite zu biegen. Bald aber hörte er hinter ſich Eliſabeth ſeinen Namen rufen. Er wandte ſich um. Reinhardt! rief ſie, warte doch, Reinhardt! — Er konnte ſie nicht gewahr werden; endlich ſah, er ſie in einiger Entfernung mit den Sträuchern kämpfen; ihr feines Köpfchen ſchwamm nur kaum über den Spitzen der Farren¬ kräuter. Nun ging er noch einmal zurück, und führte ſie durch das Wirrniß der Kräuter und Stauden auf einen freien Platz hinaus, wo blaue Falter zwiſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Theodor Storms Novelle "Immensee" erschien zuerst… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/22
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/22>, abgerufen am 24.11.2024.