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Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

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hardt fing an zu erzählen: Es waren einmal drei
Spinnfrauen -- --

Ach, sagte Elisabeth, das weiß ich ja auswendig;
du mußt auch nicht immer dasselbe erzählen.

Da mußte Reinhardt die Geschichte von den drei
Spinnfrauen stecken lassen, und statt dessen erzählte
er die Geschichte von dem armen Mann, der in die
Löwengrube geworfen war. Nun war es Nacht; sagte
er, weißt du? ganz finstere, und die Löwen schliefen.
Mitunter aber gähnten sie im Schlaf und reckten die
rothen Zungen aus; dann schauderte der Mann und
meinte, daß der Morgen komme. Da warf es um ihn
her auf einmal einen hellen Schein, und als er auf¬
sah, stand ein Engel vor ihm. Der winkte ihm mit
der Hand und ging dann gerade in die Felsen hinein.

Elisabeth hatte aufmerksam zugehört. Ein Engel?
sagte sie: Hatte er denn Flügel?

Es ist nur so eine Geschichte; antwortete Rein¬
hardt; es giebt ja gar keine Engel.

O pfui, Reinhardt! sagte sie und sah ihm starr ins
Gesicht. Als er sie aber finster anblickte, fragte sie
ihn zweifelnd: Warum sagen sie es denn immer?
Mutter und Tante und auch in der Schule?

hardt fing an zu erzählen: Es waren einmal drei
Spinnfrauen — —

Ach, ſagte Eliſabeth, das weiß ich ja auswendig;
du mußt auch nicht immer daſſelbe erzählen.

Da mußte Reinhardt die Geſchichte von den drei
Spinnfrauen ſtecken laſſen, und ſtatt deſſen erzählte
er die Geſchichte von dem armen Mann, der in die
Löwengrube geworfen war. Nun war es Nacht; ſagte
er, weißt du? ganz finſtere, und die Löwen ſchliefen.
Mitunter aber gähnten ſie im Schlaf und reckten die
rothen Zungen aus; dann ſchauderte der Mann und
meinte, daß der Morgen komme. Da warf es um ihn
her auf einmal einen hellen Schein, und als er auf¬
ſah, ſtand ein Engel vor ihm. Der winkte ihm mit
der Hand und ging dann gerade in die Felſen hinein.

Eliſabeth hatte aufmerkſam zugehört. Ein Engel?
ſagte ſie: Hatte er denn Flügel?

Es iſt nur ſo eine Geſchichte; antwortete Rein¬
hardt; es giebt ja gar keine Engel.

O pfui, Reinhardt! ſagte ſie und ſah ihm ſtarr ins
Geſicht. Als er ſie aber finſter anblickte, fragte ſie
ihn zweifelnd: Warum ſagen ſie es denn immer?
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[9/0015] hardt fing an zu erzählen: Es waren einmal drei Spinnfrauen — — Ach, ſagte Eliſabeth, das weiß ich ja auswendig; du mußt auch nicht immer daſſelbe erzählen. Da mußte Reinhardt die Geſchichte von den drei Spinnfrauen ſtecken laſſen, und ſtatt deſſen erzählte er die Geſchichte von dem armen Mann, der in die Löwengrube geworfen war. Nun war es Nacht; ſagte er, weißt du? ganz finſtere, und die Löwen ſchliefen. Mitunter aber gähnten ſie im Schlaf und reckten die rothen Zungen aus; dann ſchauderte der Mann und meinte, daß der Morgen komme. Da warf es um ihn her auf einmal einen hellen Schein, und als er auf¬ ſah, ſtand ein Engel vor ihm. Der winkte ihm mit der Hand und ging dann gerade in die Felſen hinein. Eliſabeth hatte aufmerkſam zugehört. Ein Engel? ſagte ſie: Hatte er denn Flügel? Es iſt nur ſo eine Geſchichte; antwortete Rein¬ hardt; es giebt ja gar keine Engel. O pfui, Reinhardt! ſagte ſie und ſah ihm ſtarr ins Geſicht. Als er ſie aber finſter anblickte, fragte ſie ihn zweifelnd: Warum ſagen ſie es denn immer? Mutter und Tante und auch in der Schule?

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/15>, abgerufen am 24.11.2024.