Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Märchen. Ich hab's gesehn, und will's getreu berichten; Beklagt euch nicht, wenn ich zu wenig sah! Nur Sommernachts passiren die Geschichten; Kaum graut die Nacht, so rückt der Morgen nah, Kaum daß den Wald die ersten Strahlen lichten, Entflieht mit ihrem Hof Titania; Auf Weg und Steg spaziren die Philister, Das wohlbekannte leidige Register. Kein Zauber wächst für fromme Bürgersleute, Die Tags nur wissen, wie die Glocke geht, Die gründlich kennen gestern, morgen, heute, Doch nicht die Zeit, die mitten drinn' besteht; Ich aber hörte wohl das Waldgeläute, Ein Sonntagskind ist immer der Poet; So laßt euch denn in blanken Liederringen Von Reim zu Reim in's Land der Märchen schwingen. Märchen. Ich hab's geſehn, und will's getreu berichten; Beklagt euch nicht, wenn ich zu wenig ſah! Nur Sommernachts paſſiren die Geſchichten; Kaum graut die Nacht, ſo rückt der Morgen nah, Kaum daß den Wald die erſten Strahlen lichten, Entflieht mit ihrem Hof Titania; Auf Weg und Steg ſpaziren die Philiſter, Das wohlbekannte leidige Regiſter. Kein Zauber wächſt für fromme Bürgersleute, Die Tags nur wiſſen, wie die Glocke geht, Die gründlich kennen geſtern, morgen, heute, Doch nicht die Zeit, die mitten drinn' beſteht; Ich aber hörte wohl das Waldgeläute, Ein Sonntagskind iſt immer der Poet; So laßt euch denn in blanken Liederringen Von Reim zu Reim in's Land der Märchen ſchwingen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0099" n="[89]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Märchen.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ch hab's geſehn, und will's getreu berichten;</l><lb/> <l>Beklagt euch nicht, wenn ich zu wenig ſah!</l><lb/> <l>Nur Sommernachts paſſiren die Geſchichten;</l><lb/> <l>Kaum graut die Nacht, ſo rückt der Morgen nah,</l><lb/> <l>Kaum daß den Wald die erſten Strahlen lichten,</l><lb/> <l>Entflieht mit ihrem Hof Titania;</l><lb/> <l>Auf Weg und Steg ſpaziren die Philiſter,</l><lb/> <l>Das wohlbekannte leidige Regiſter.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Kein Zauber wächſt für fromme Bürgersleute,</l><lb/> <l>Die Tags nur wiſſen, wie die Glocke geht,</l><lb/> <l>Die gründlich kennen geſtern, morgen, heute,</l><lb/> <l>Doch nicht die Zeit, die mitten drinn' beſteht;</l><lb/> <l>Ich aber hörte wohl das Waldgeläute,</l><lb/> <l>Ein Sonntagskind iſt immer der Poet;</l><lb/> <l>So laßt euch denn in blanken Liederringen</l><lb/> <l>Von Reim zu Reim in's Land der Märchen ſchwingen.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[89]/0099]
Märchen.
Ich hab's geſehn, und will's getreu berichten;
Beklagt euch nicht, wenn ich zu wenig ſah!
Nur Sommernachts paſſiren die Geſchichten;
Kaum graut die Nacht, ſo rückt der Morgen nah,
Kaum daß den Wald die erſten Strahlen lichten,
Entflieht mit ihrem Hof Titania;
Auf Weg und Steg ſpaziren die Philiſter,
Das wohlbekannte leidige Regiſter.
Kein Zauber wächſt für fromme Bürgersleute,
Die Tags nur wiſſen, wie die Glocke geht,
Die gründlich kennen geſtern, morgen, heute,
Doch nicht die Zeit, die mitten drinn' beſteht;
Ich aber hörte wohl das Waldgeläute,
Ein Sonntagskind iſt immer der Poet;
So laßt euch denn in blanken Liederringen
Von Reim zu Reim in's Land der Märchen ſchwingen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/99 |
Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. [89]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/99>, abgerufen am 23.02.2025. |