Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Der Fluth entsteigt der frische Meeresduft, Vom Himmel strömt die goldne Sonnenfülle; Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft Und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle. O wehe fort, bis jede Knospe bricht, Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde; Entfalte dich, du gottgebornes Licht, Und wanke nicht, du feste Heimatherde! -- Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht Aufgohr das Meer zu gischtbestäubten Hügeln, Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht, Die Kappe peitschend mit den Geierflügeln. Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr Den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben; Denn machtlos, zischend schoß zurück das Meer -- Das Land ist unser, unser soll es bleiben! 6 *
Der Fluth entſteigt der friſche Meeresduft, Vom Himmel ſtrömt die goldne Sonnenfülle; Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft Und ſprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle. O wehe fort, bis jede Knoſpe bricht, Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde; Entfalte dich, du gottgebornes Licht, Und wanke nicht, du feſte Heimatherde! — Hier ſtand ich oft, wenn in Novembernacht Aufgohr das Meer zu giſchtbeſtäubten Hügeln, Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht, Die Kappe peitſchend mit den Geierflügeln. Und jauchzend ließ ich an der feſten Wehr Den Wellenſchlag die grimmen Zähne reiben; Denn machtlos, ziſchend ſchoß zurück das Meer — Das Land iſt unſer, unſer ſoll es bleiben! 6 *
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Der Fluth entſteigt der friſche Meeresduft,
Vom Himmel ſtrömt die goldne Sonnenfülle;
Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft
Und ſprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.
O wehe fort, bis jede Knoſpe bricht,
Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde;
Entfalte dich, du gottgebornes Licht,
Und wanke nicht, du feſte Heimatherde! —
Hier ſtand ich oft, wenn in Novembernacht
Aufgohr das Meer zu giſchtbeſtäubten Hügeln,
Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht,
Die Kappe peitſchend mit den Geierflügeln.
Und jauchzend ließ ich an der feſten Wehr
Den Wellenſchlag die grimmen Zähne reiben;
Denn machtlos, ziſchend ſchoß zurück das Meer —
Das Land iſt unſer, unſer ſoll es bleiben!
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/93>, abgerufen am 08.07.2024. |