Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Morgane. An regentrüben Sommertagen, Wenn Luft und Fluth zusammenragen Und ohne Regung schläft die See, Dann steht an unserm grauen Strande Das Wunder aus dem Morgenlande, Morgane, die berufne Fee. Arglistig halb und halb von Sinne, Verschmachtend nach dem Kelch der Minne, Der stets an ihrem Mund versiegt, Umgaukelt sie des Wandrers Pfade, Und lockt ihn an ein Scheingestade, Das in des Todes Reichen liegt. Von ihrem Zauberspiel geblendet
Ruht manches Haupt in Nacht gewendet Begraben in der Wüste Schlucht ; Denn ihre Liebe ist Verderben, Ihr Hauch ist Gift, ihr Kuß ist Sterben, Die schönen Augen sind verflucht. Morgane. An regentrüben Sommertagen, Wenn Luft und Fluth zuſammenragen Und ohne Regung ſchläft die See, Dann ſteht an unſerm grauen Strande Das Wunder aus dem Morgenlande, Morgane, die berufne Fee. Argliſtig halb und halb von Sinne, Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne, Der ſtets an ihrem Mund verſiegt, Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade, Und lockt ihn an ein Scheingeſtade, Das in des Todes Reichen liegt. Von ihrem Zauberſpiel geblendet
Ruht manches Haupt in Nacht gewendet Begraben in der Wüſte Schlucht ; Denn ihre Liebe iſt Verderben, Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben, Die ſchönen Augen ſind verflucht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0090" n="80"/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Morgane</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">A</hi>n regentrüben Sommertagen,</l><lb/> <l>Wenn Luft und Fluth zuſammenragen</l><lb/> <l>Und ohne Regung ſchläft die See,</l><lb/> <l>Dann ſteht an unſerm grauen Strande</l><lb/> <l>Das Wunder aus dem Morgenlande,</l><lb/> <l>Morgane, die berufne Fee.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Argliſtig halb und halb von Sinne,</l><lb/> <l>Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne,</l><lb/> <l>Der ſtets an ihrem Mund verſiegt,</l><lb/> <l>Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade,</l><lb/> <l>Und lockt ihn an ein Scheingeſtade,</l><lb/> <l>Das in des Todes Reichen liegt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Von ihrem Zauberſpiel geblendet</l><lb/> <l>Ruht manches Haupt in Nacht gewendet</l><lb/> <l>Begraben in der Wüſte Schlucht ;</l><lb/> <l>Denn ihre Liebe iſt Verderben,</l><lb/> <l>Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben,</l><lb/> <l>Die ſchönen Augen ſind verflucht.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0090]
Morgane.
An regentrüben Sommertagen,
Wenn Luft und Fluth zuſammenragen
Und ohne Regung ſchläft die See,
Dann ſteht an unſerm grauen Strande
Das Wunder aus dem Morgenlande,
Morgane, die berufne Fee.
Argliſtig halb und halb von Sinne,
Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne,
Der ſtets an ihrem Mund verſiegt,
Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade,
Und lockt ihn an ein Scheingeſtade,
Das in des Todes Reichen liegt.
Von ihrem Zauberſpiel geblendet
Ruht manches Haupt in Nacht gewendet
Begraben in der Wüſte Schlucht ;
Denn ihre Liebe iſt Verderben,
Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben,
Die ſchönen Augen ſind verflucht.
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/90>, abgerufen am 23.02.2025. |