Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852.Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe, Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. -- Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen, Und Maitag ist's! -- Wie soll ich es beschreiben, Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet! Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel, Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen! Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen, In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen, Die Alte gar -- nein, es ist unaussprechlich, Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette! Und jede, jede von den sieben Katzen Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen. Die Köchin ras't, ich kann der blinden Wuth Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers; Ersäufen will sie alle neun und vierzig! Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon -- O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren! Was fang' ich an mit sechs und funfzig Katzen! -- Ich aber, wie ich ſie ſo wachſen ſahe, Ich pries mich ſelbſt und meine Menſchlichkeit. — Ein Jahr iſt um, und Katzen ſind die Kätzchen, Und Maitag iſt's! — Wie ſoll ich es beſchreiben, Das Schauſpiel, das ſich jetzt vor mir entfaltet! Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel, Ein jeder Winkel iſt ein Wochenbettchen! Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen, In Schränken, Körben, unter Tiſch und Treppen, Die Alte gar — nein, es iſt unausſprechlich, Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette! Und jede, jede von den ſieben Katzen Hat ſieben, denkt euch! ſieben junge Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen. Die Köchin raſ't, ich kann der blinden Wuth Nicht Schranken ſetzen dieſes Frauenzimmers; Erſäufen will ſie alle neun und vierzig! Mir ſelber, ach, mir läuft der Kopf davon — O Menſchlichkeit, wie ſoll ich dich bewahren! Was fang' ich an mit ſechs und funfzig Katzen! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0070" n="60"/> <l>Ich aber, wie ich ſie ſo wachſen ſahe,</l><lb/> <l>Ich pries mich ſelbſt und meine Menſchlichkeit. —</l><lb/> <l>Ein Jahr iſt um, und Katzen ſind die Kätzchen,</l><lb/> <l>Und Maitag iſt's! — Wie ſoll ich es beſchreiben,</l><lb/> <l>Das Schauſpiel, das ſich jetzt vor mir entfaltet!</l><lb/> <l>Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,</l><lb/> <l>Ein jeder Winkel iſt ein Wochenbettchen!</l><lb/> <l>Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,</l><lb/> <l>In Schränken, Körben, unter Tiſch und Treppen,</l><lb/> <l>Die Alte gar — nein, es iſt unausſprechlich,</l><lb/> <l>Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!</l><lb/> <l>Und jede, jede von den ſieben Katzen</l><lb/> <l>Hat ſieben, denkt euch! ſieben junge Kätzchen,</l><lb/> <l>Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen.</l><lb/> <l>Die Köchin raſ't, ich kann der blinden Wuth</l><lb/> <l>Nicht Schranken ſetzen dieſes Frauenzimmers;</l><lb/> <l>Erſäufen will ſie alle neun und vierzig!</l><lb/> <l>Mir ſelber, ach, mir läuft der Kopf davon —</l><lb/> <l>O Menſchlichkeit, wie ſoll ich dich bewahren!</l><lb/> <l>Was fang' ich an mit ſechs und funfzig Katzen! —</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0070]
Ich aber, wie ich ſie ſo wachſen ſahe,
Ich pries mich ſelbſt und meine Menſchlichkeit. —
Ein Jahr iſt um, und Katzen ſind die Kätzchen,
Und Maitag iſt's! — Wie ſoll ich es beſchreiben,
Das Schauſpiel, das ſich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel iſt ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tiſch und Treppen,
Die Alte gar — nein, es iſt unausſprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den ſieben Katzen
Hat ſieben, denkt euch! ſieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen.
Die Köchin raſ't, ich kann der blinden Wuth
Nicht Schranken ſetzen dieſes Frauenzimmers;
Erſäufen will ſie alle neun und vierzig!
Mir ſelber, ach, mir läuft der Kopf davon —
O Menſchlichkeit, wie ſoll ich dich bewahren!
Was fang' ich an mit ſechs und funfzig Katzen! —
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Gedichte. Kiel, 1852, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_gedichte_1852/70>, abgerufen am 08.07.2024. |