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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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werden, und in dem neuen, da passet unsereins nicht mehr hinein. So hab' ich an Dich gedacht, John! Sie trauen Dir zwar nicht; aber ich kenn' Dich besser! Du giebst mir Unterschlupf; ich halte Dir Deine Kammer hier so schmuck, wie jetzund die meine, und hüte Dir Dein Christinchen, wenn Du auf Arbeit bist." Sie machte mit ihren Fingern ein Häschen und nickte der Kleinen freundlich zu, die unverwandt der Alten ins Gesicht starrte. "Nur", fügte sie hinzu, "wo ich meinen alten Kopf zur Ruhe legen kann, weiter braucht's nicht; Du weißt ja, mein bischen Essen hol' ich mir schon selber!"

John nickte: "Ja, ich weiß, Sie bettelt." -

Und in sich selber sprach er leis und traurig: "Mein Weib that dies in ihrer Kindheit auch!"

Aber die Alte rief: "Was sagst Du, John?" und stieß mit ihrem Stecken auf den Boden. "Das ist kein Betteln! Das geben mir meine früheren Herrschaften und ihre Freunde, das gehört sich so; ich bin ein alter Dienstbot', den dürfen sie nicht verhungern lassen!"

John sah sinnend auf das Weib; die Kleine war von seinem Schoß herabgeglitten und hielt

werden, und in dem neuen, da passet unsereins nicht mehr hinein. So hab’ ich an Dich gedacht, John! Sie trauen Dir zwar nicht; aber ich kenn’ Dich besser! Du giebst mir Unterschlupf; ich halte Dir Deine Kammer hier so schmuck, wie jetzund die meine, und hüte Dir Dein Christinchen, wenn Du auf Arbeit bist.“ Sie machte mit ihren Fingern ein Häschen und nickte der Kleinen freundlich zu, die unverwandt der Alten ins Gesicht starrte. „Nur“, fügte sie hinzu, „wo ich meinen alten Kopf zur Ruhe legen kann, weiter braucht’s nicht; Du weißt ja, mein bischen Essen hol’ ich mir schon selber!“

John nickte: „Ja, ich weiß, Sie bettelt.“ –

Und in sich selber sprach er leis und traurig: „Mein Weib that dies in ihrer Kindheit auch!“

Aber die Alte rief: „Was sagst Du, John?“ und stieß mit ihrem Stecken auf den Boden. „Das ist kein Betteln! Das geben mir meine früheren Herrschaften und ihre Freunde, das gehört sich so; ich bin ein alter Dienstbot’, den dürfen sie nicht verhungern lassen!“

John sah sinnend auf das Weib; die Kleine war von seinem Schoß herabgeglitten und hielt

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[83/0083] werden, und in dem neuen, da passet unsereins nicht mehr hinein. So hab’ ich an Dich gedacht, John! Sie trauen Dir zwar nicht; aber ich kenn’ Dich besser! Du giebst mir Unterschlupf; ich halte Dir Deine Kammer hier so schmuck, wie jetzund die meine, und hüte Dir Dein Christinchen, wenn Du auf Arbeit bist.“ Sie machte mit ihren Fingern ein Häschen und nickte der Kleinen freundlich zu, die unverwandt der Alten ins Gesicht starrte. „Nur“, fügte sie hinzu, „wo ich meinen alten Kopf zur Ruhe legen kann, weiter braucht’s nicht; Du weißt ja, mein bischen Essen hol’ ich mir schon selber!“ John nickte: „Ja, ich weiß, Sie bettelt.“ – Und in sich selber sprach er leis und traurig: „Mein Weib that dies in ihrer Kindheit auch!“ Aber die Alte rief: „Was sagst Du, John?“ und stieß mit ihrem Stecken auf den Boden. „Das ist kein Betteln! Das geben mir meine früheren Herrschaften und ihre Freunde, das gehört sich so; ich bin ein alter Dienstbot’, den dürfen sie nicht verhungern lassen!“ John sah sinnend auf das Weib; die Kleine war von seinem Schoß herabgeglitten und hielt

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/83>, abgerufen am 24.11.2024.