Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.sie und schrieen wieder: "Aber er lebt! Er lebt, Mamsell!" Da schnellte Riekchen Therebinte wie eine Stahlfeder von ihrem Stuhle auf. "Er lebt?" rief sie. "Ja, ja, er lebt! Dreht Euch nur um, so könnt Ihr's selber sehen!" Aber Riekchen drehte sich nicht; wie in Todesangst flog sie auf ihr Bündel zu, bemächtigte sich desselben und war im Augenblick zur Thür hinaus. "Ich lauf' zum Physikus! zum Physikus!" rief sie in der Eile noch zurück; dann lief sie wie ein Bruushähnchen auf dem Damme der Stadt entgegen. Die gute Frau des Wärters aber kleidete den Verunglückten sorgfältig in ihres Mannes Wäsche. Das auffällige Gebaren des kleinen Mamsellchens hatte freilich seinen Grund: sie hatte dem Meister - so wurde andern Tags erzählt - in ihrem Bündel sein vor vierzig Jahren angefertigtes Todtenhemd nachgetragen, das dieser ihr Tags vorher kraus und vergilbt gegeben hatte, damit sie es mit ihren Linnensachen durch die Wäsche sie und schrieen wieder: „Aber er lebt! Er lebt, Mamsell!“ Da schnellte Riekchen Therebinte wie eine Stahlfeder von ihrem Stuhle auf. „Er lebt?“ rief sie. „Ja, ja, er lebt! Dreht Euch nur um, so könnt Ihr’s selber sehen!“ Aber Riekchen drehte sich nicht; wie in Todesangst flog sie auf ihr Bündel zu, bemächtigte sich desselben und war im Augenblick zur Thür hinaus. „Ich lauf’ zum Physikus! zum Physikus!“ rief sie in der Eile noch zurück; dann lief sie wie ein Bruushähnchen auf dem Damme der Stadt entgegen. Die gute Frau des Wärters aber kleidete den Verunglückten sorgfältig in ihres Mannes Wäsche. Das auffällige Gebaren des kleinen Mamsellchens hatte freilich seinen Grund: sie hatte dem Meister – so wurde andern Tags erzählt – in ihrem Bündel sein vor vierzig Jahren angefertigtes Todtenhemd nachgetragen, das dieser ihr Tags vorher kraus und vergilbt gegeben hatte, damit sie es mit ihren Linnensachen durch die Wäsche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0093" n="93"/> sie und schrieen wieder: „Aber er lebt! Er lebt, Mamsell!“</p> <p>Da schnellte Riekchen Therebinte wie eine Stahlfeder von ihrem Stuhle auf. „Er lebt?“ rief sie.</p> <p>„Ja, ja, er lebt! Dreht Euch nur um, so könnt Ihr’s selber sehen!“</p> <p>Aber Riekchen drehte sich nicht; wie in Todesangst flog sie auf ihr Bündel zu, bemächtigte sich desselben und war im Augenblick zur Thür hinaus. „Ich lauf’ zum Physikus! zum Physikus!“ rief sie in der Eile noch zurück; dann lief sie wie ein Bruushähnchen auf dem Damme der Stadt entgegen. Die gute Frau des Wärters aber kleidete den Verunglückten sorgfältig in ihres Mannes Wäsche.</p> <p>Das auffällige Gebaren des kleinen Mamsellchens hatte freilich seinen Grund: sie hatte dem Meister – so wurde andern Tags erzählt – in ihrem Bündel sein vor vierzig Jahren angefertigtes Todtenhemd nachgetragen, das dieser ihr Tags vorher kraus und vergilbt gegeben hatte, damit sie es mit ihren Linnensachen durch die Wäsche </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0093]
sie und schrieen wieder: „Aber er lebt! Er lebt, Mamsell!“
Da schnellte Riekchen Therebinte wie eine Stahlfeder von ihrem Stuhle auf. „Er lebt?“ rief sie.
„Ja, ja, er lebt! Dreht Euch nur um, so könnt Ihr’s selber sehen!“
Aber Riekchen drehte sich nicht; wie in Todesangst flog sie auf ihr Bündel zu, bemächtigte sich desselben und war im Augenblick zur Thür hinaus. „Ich lauf’ zum Physikus! zum Physikus!“ rief sie in der Eile noch zurück; dann lief sie wie ein Bruushähnchen auf dem Damme der Stadt entgegen. Die gute Frau des Wärters aber kleidete den Verunglückten sorgfältig in ihres Mannes Wäsche.
Das auffällige Gebaren des kleinen Mamsellchens hatte freilich seinen Grund: sie hatte dem Meister – so wurde andern Tags erzählt – in ihrem Bündel sein vor vierzig Jahren angefertigtes Todtenhemd nachgetragen, das dieser ihr Tags vorher kraus und vergilbt gegeben hatte, damit sie es mit ihren Linnensachen durch die Wäsche
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