Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.Ein großes Sterben - ein Typhus, wie die Ärzte sagten, fiel auf die Stadt. Die Ersten, welche zum Kirchhof hinausgetragen wurden, waren der Kollaborator und seine noch leidlich junge Frau; seine beiden Kinder, die kleine Magdalene und ihr etwas älterer Bruder, ein heimtückischer, schieläugiger Bursche, kamen zu ihrer Großmutter, einer alten gelähmten Pastorswittwe, deren Geschichten von gläsernen Bergen und verwünschten Prinzen dem Lenchen freilich besser behagten, als die antiken Lebensregeln ihres ärgerlichen Vaters. Zum Unglück Meister Daniel's aber war gleich danach auch sein alter Brauer Petersen gestorben, und die Wittwe hatte den Muth zur Fortsetzung des Geschäfts verloren. So wurden Arbeit und Verdienst noch kleiner, und der alte Marten mußte auf seines Meisters Drängen sich einen Platz in der neuen Brauerei verschaffen, wo dem Böttcher ein Geselle nöthig wurde. Daniel hatte das Alles eben an seinen Sohn geschrieben, ging dann durch die leeren Räume seines schmalen Hauses, stellte in der Werkstatt Dauben und Hölzer gegen die Wände und stand Ein großes Sterben – ein Typhus, wie die Ärzte sagten, fiel auf die Stadt. Die Ersten, welche zum Kirchhof hinausgetragen wurden, waren der Kollaborator und seine noch leidlich junge Frau; seine beiden Kinder, die kleine Magdalene und ihr etwas älterer Bruder, ein heimtückischer, schieläugiger Bursche, kamen zu ihrer Großmutter, einer alten gelähmten Pastorswittwe, deren Geschichten von gläsernen Bergen und verwünschten Prinzen dem Lenchen freilich besser behagten, als die antiken Lebensregeln ihres ärgerlichen Vaters. Zum Unglück Meister Daniel’s aber war gleich danach auch sein alter Brauer Petersen gestorben, und die Wittwe hatte den Muth zur Fortsetzung des Geschäfts verloren. So wurden Arbeit und Verdienst noch kleiner, und der alte Marten mußte auf seines Meisters Drängen sich einen Platz in der neuen Brauerei verschaffen, wo dem Böttcher ein Geselle nöthig wurde. Daniel hatte das Alles eben an seinen Sohn geschrieben, ging dann durch die leeren Räume seines schmalen Hauses, stellte in der Werkstatt Dauben und Hölzer gegen die Wände und stand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="42"/> Ein großes Sterben – ein Typhus, wie die Ärzte sagten, fiel auf die Stadt. Die Ersten, welche zum Kirchhof hinausgetragen wurden, waren der Kollaborator und seine noch leidlich junge Frau; seine beiden Kinder, die kleine Magdalene und ihr etwas älterer Bruder, ein heimtückischer, schieläugiger Bursche, kamen zu ihrer Großmutter, einer alten gelähmten Pastorswittwe, deren Geschichten von gläsernen Bergen und verwünschten Prinzen dem Lenchen freilich besser behagten, als die antiken Lebensregeln ihres ärgerlichen Vaters. Zum Unglück Meister Daniel’s aber war gleich danach auch sein alter Brauer Petersen gestorben, und die Wittwe hatte den Muth zur Fortsetzung des Geschäfts verloren. So wurden Arbeit und Verdienst noch kleiner, und der alte Marten mußte auf seines Meisters Drängen sich einen Platz in der neuen Brauerei verschaffen, wo dem Böttcher ein Geselle nöthig wurde.</p> <p>Daniel hatte das Alles eben an seinen Sohn geschrieben, ging dann durch die leeren Räume seines schmalen Hauses, stellte in der Werkstatt Dauben und Hölzer gegen die Wände und stand </p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0042]
Ein großes Sterben – ein Typhus, wie die Ärzte sagten, fiel auf die Stadt. Die Ersten, welche zum Kirchhof hinausgetragen wurden, waren der Kollaborator und seine noch leidlich junge Frau; seine beiden Kinder, die kleine Magdalene und ihr etwas älterer Bruder, ein heimtückischer, schieläugiger Bursche, kamen zu ihrer Großmutter, einer alten gelähmten Pastorswittwe, deren Geschichten von gläsernen Bergen und verwünschten Prinzen dem Lenchen freilich besser behagten, als die antiken Lebensregeln ihres ärgerlichen Vaters. Zum Unglück Meister Daniel’s aber war gleich danach auch sein alter Brauer Petersen gestorben, und die Wittwe hatte den Muth zur Fortsetzung des Geschäfts verloren. So wurden Arbeit und Verdienst noch kleiner, und der alte Marten mußte auf seines Meisters Drängen sich einen Platz in der neuen Brauerei verschaffen, wo dem Böttcher ein Geselle nöthig wurde.
Daniel hatte das Alles eben an seinen Sohn geschrieben, ging dann durch die leeren Räume seines schmalen Hauses, stellte in der Werkstatt Dauben und Hölzer gegen die Wände und stand
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Zitationshilfe: | Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/42>, abgerufen am 16.07.2024. |