Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Am Nachmittage danach langete ich in Preetz
an, meldete mich im Stifte bei der hochwürdigen
Dame und wurde auch alsbald vorgelassen. Ich
erkannte in ihrer stattlichen Person allsogleich die
Schwester meines theueren seligen Herrn Ger¬
hardus; nur, wie es sich an unverehelichten
Frauen oftmals zeiget, waren die Züge des
Antlitzes gleichwol strenger, als die des Bruders.
Ich hatte, selbst nachdem ich Katharinens Schrei¬
ben überreichet, ein lang und hart Examen zu
bestehen; dann aber verhieß sie ihren Beistand
und setzete sich zu ihrem Schreibgeräthe, indeß
die Magd mich in ein ander Zimmer führen
mußte, allwo man mich gar wohl bewirthete.

Es war schon spät am Nachmittage, da ich
wieder fortritt; doch rechnete ich, obschon mein
Gaul die vielen Meilen hinter uns bereits ver¬
spürete, noch gegen Mitternacht beim alten Die¬
terich anzuklopfen. -- Das Schreiben, das die
alte Dame mir für Katharinen mitgegeben, trug
ich wohlverwahret in einem Ledertäschlein unterm
Wammse auf der Brust. So ritt ich fürbaß in

5 *

Am Nachmittage danach langete ich in Preetz
an, meldete mich im Stifte bei der hochwürdigen
Dame und wurde auch alsbald vorgelaſſen. Ich
erkannte in ihrer ſtattlichen Perſon allſogleich die
Schweſter meines theueren ſeligen Herrn Ger¬
hardus; nur, wie es ſich an unverehelichten
Frauen oftmals zeiget, waren die Züge des
Antlitzes gleichwol ſtrenger, als die des Bruders.
Ich hatte, ſelbſt nachdem ich Katharinens Schrei¬
ben überreichet, ein lang und hart Examen zu
beſtehen; dann aber verhieß ſie ihren Beiſtand
und ſetzete ſich zu ihrem Schreibgeräthe, indeß
die Magd mich in ein ander Zimmer führen
mußte, allwo man mich gar wohl bewirthete.

Es war ſchon ſpät am Nachmittage, da ich
wieder fortritt; doch rechnete ich, obſchon mein
Gaul die vielen Meilen hinter uns bereits ver¬
ſpürete, noch gegen Mitternacht beim alten Die¬
terich anzuklopfen. — Das Schreiben, das die
alte Dame mir für Katharinen mitgegeben, trug
ich wohlverwahret in einem Ledertäſchlein unterm
Wammſe auf der Bruſt. So ritt ich fürbaß in

5 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0081" n="67"/>
      <p>Am Nachmittage danach langete ich in Preetz<lb/>
an, meldete mich im Stifte bei der hochwürdigen<lb/>
Dame und wurde auch alsbald vorgela&#x017F;&#x017F;en. Ich<lb/>
erkannte in ihrer &#x017F;tattlichen Per&#x017F;on all&#x017F;ogleich die<lb/>
Schwe&#x017F;ter meines theueren &#x017F;eligen Herrn Ger¬<lb/>
hardus; nur, wie es &#x017F;ich an unverehelichten<lb/>
Frauen oftmals zeiget, waren die Züge des<lb/>
Antlitzes gleichwol &#x017F;trenger, als die des Bruders.<lb/>
Ich hatte, &#x017F;elb&#x017F;t nachdem ich Katharinens Schrei¬<lb/>
ben überreichet, ein lang und hart Examen zu<lb/>
be&#x017F;tehen; dann aber verhieß &#x017F;ie ihren Bei&#x017F;tand<lb/>
und &#x017F;etzete &#x017F;ich zu ihrem Schreibgeräthe, indeß<lb/>
die Magd mich in ein ander Zimmer führen<lb/>
mußte, allwo man mich gar wohl bewirthete.</p><lb/>
      <p>Es war &#x017F;chon &#x017F;pät am Nachmittage, da ich<lb/>
wieder fortritt; doch rechnete ich, ob&#x017F;chon mein<lb/>
Gaul die vielen Meilen hinter uns bereits ver¬<lb/>
&#x017F;pürete, noch gegen Mitternacht beim alten Die¬<lb/>
terich anzuklopfen. &#x2014; Das Schreiben, das die<lb/>
alte Dame mir für Katharinen mitgegeben, trug<lb/>
ich wohlverwahret in einem Ledertä&#x017F;chlein unterm<lb/>
Wamm&#x017F;e auf der Bru&#x017F;t. So ritt ich fürbaß in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">5 *<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0081] Am Nachmittage danach langete ich in Preetz an, meldete mich im Stifte bei der hochwürdigen Dame und wurde auch alsbald vorgelaſſen. Ich erkannte in ihrer ſtattlichen Perſon allſogleich die Schweſter meines theueren ſeligen Herrn Ger¬ hardus; nur, wie es ſich an unverehelichten Frauen oftmals zeiget, waren die Züge des Antlitzes gleichwol ſtrenger, als die des Bruders. Ich hatte, ſelbſt nachdem ich Katharinens Schrei¬ ben überreichet, ein lang und hart Examen zu beſtehen; dann aber verhieß ſie ihren Beiſtand und ſetzete ſich zu ihrem Schreibgeräthe, indeß die Magd mich in ein ander Zimmer führen mußte, allwo man mich gar wohl bewirthete. Es war ſchon ſpät am Nachmittage, da ich wieder fortritt; doch rechnete ich, obſchon mein Gaul die vielen Meilen hinter uns bereits ver¬ ſpürete, noch gegen Mitternacht beim alten Die¬ terich anzuklopfen. — Das Schreiben, das die alte Dame mir für Katharinen mitgegeben, trug ich wohlverwahret in einem Ledertäſchlein unterm Wammſe auf der Bruſt. So ritt ich fürbaß in 5 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/81
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/81>, abgerufen am 27.11.2024.