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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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und frug mich allsogleich: "Hat denn das Fräu¬
lein Ihn so angesehen, als wie sie da im Bilde
sitzet?"

Ich entgegnete, es sei ja eben die Kunst der
edlen Malerei, nicht bloß die Abschrift des Ge¬
sichts zu geben. Aber schon mußte an unsern
Augen oder Wangen ihr Sonderlichem aufgefallen
sein, denn ihre Blicke gingen sprühend hin und
wieder: "Die Arbeit ist wol bald am Ende?"
sagte sie dann mit ihrer höchsten Stimme.
"Deine Augen haben kranken Glanz, Katharina;
das lange Sitzen hat Dir nicht wohl gedienet."

Ich entgegnete, das Bild sei bald vollendet,
nur an dem Gewande sei noch hie und da zu
schaffen.

"Nun, da braucht Er wol des Fräuleins
Gegenwart nicht mehr dazu! -- Komm, Katha¬
rina, Dein Arm ist besser, als der dumme Stecken
hier!"

Und so mußt' ich von der dürren Alten
meines Herzens holdselig Kleinod mir entführen
sehen, da ich es eben mir gewonnen glaubte;

und frug mich allſogleich: „Hat denn das Fräu¬
lein Ihn ſo angeſehen, als wie ſie da im Bilde
ſitzet?“

Ich entgegnete, es ſei ja eben die Kunst der
edlen Malerei, nicht bloß die Abschrift des Ge¬
ſichts zu geben. Aber ſchon mußte an unſern
Augen oder Wangen ihr Sonderlichem aufgefallen
ſein, denn ihre Blicke gingen ſprühend hin und
wieder: „Die Arbeit iſt wol bald am Ende?“
ſagte ſie dann mit ihrer höchſten Stimme.
„Deine Augen haben kranken Glanz, Katharina;
das lange Sitzen hat Dir nicht wohl gedienet.“

Ich entgegnete, das Bild ſei bald vollendet,
nur an dem Gewande ſei noch hie und da zu
ſchaffen.

„Nun, da braucht Er wol des Fräuleins
Gegenwart nicht mehr dazu! — Komm, Katha¬
rina, Dein Arm iſt beſſer, als der dumme Stecken
hier!“

Und ſo mußt' ich von der dürren Alten
meines Herzens holdſelig Kleinod mir entführen
ſehen, da ich es eben mir gewonnen glaubte;

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[64/0078] und frug mich allſogleich: „Hat denn das Fräu¬ lein Ihn ſo angeſehen, als wie ſie da im Bilde ſitzet?“ Ich entgegnete, es ſei ja eben die Kunst der edlen Malerei, nicht bloß die Abschrift des Ge¬ ſichts zu geben. Aber ſchon mußte an unſern Augen oder Wangen ihr Sonderlichem aufgefallen ſein, denn ihre Blicke gingen ſprühend hin und wieder: „Die Arbeit iſt wol bald am Ende?“ ſagte ſie dann mit ihrer höchſten Stimme. „Deine Augen haben kranken Glanz, Katharina; das lange Sitzen hat Dir nicht wohl gedienet.“ Ich entgegnete, das Bild ſei bald vollendet, nur an dem Gewande ſei noch hie und da zu ſchaffen. „Nun, da braucht Er wol des Fräuleins Gegenwart nicht mehr dazu! — Komm, Katha¬ rina, Dein Arm iſt beſſer, als der dumme Stecken hier!“ Und ſo mußt' ich von der dürren Alten meines Herzens holdſelig Kleinod mir entführen ſehen, da ich es eben mir gewonnen glaubte;

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/78>, abgerufen am 23.11.2024.