Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich war nun in meinem Kämmerchen ober
dem Hofthor einlogiret, dem alten Dieterich zur
sondern Freude; denn am Feyerabend saßen wir
auf seiner Tragkist', und ließ ich mir, gleichwie
in der Knabenzeit, von ihm erzählen. Er rauchte
dann wol eine Pfeife Tabak, welche Sitte durch
das Kriegsvolk auch hier in Gang gekommen
war, und holete allerlei Geschichten aus den
Drangsalen, so sie durch die fremden Truppen
auf dem Hof und unten in dem Dorf erleiden
müssen; einmal aber, da ich seine Rede auf das
gute Frölen Katharina gebracht und er erst nicht
hatt' ein Ende finden können, brach er gleichwol
plötzlich ab und schauete mich an.

"Wisset Ihr, Herr Johannes," sagte er, "'s
ist grausam Schad', daß Ihr nicht auch ein
Wappen habet gleich dem von der Risch da
drüben!"

Und da solche Rede mir das Blut in's Ge¬
sicht jagete, klopfte er mit seiner harten Hand
mir auf die Schulter, meinend: "Nun, nun,
Herr Johannes; 's war ein dummes Wort von

Ich war nun in meinem Kämmerchen ober
dem Hofthor einlogiret, dem alten Dieterich zur
ſondern Freude; denn am Feyerabend ſaßen wir
auf ſeiner Tragkiſt', und ließ ich mir, gleichwie
in der Knabenzeit, von ihm erzählen. Er rauchte
dann wol eine Pfeife Tabak, welche Sitte durch
das Kriegsvolk auch hier in Gang gekommen
war, und holete allerlei Geſchichten aus den
Drangſalen, ſo ſie durch die fremden Truppen
auf dem Hof und unten in dem Dorf erleiden
müſſen; einmal aber, da ich ſeine Rede auf das
gute Frölen Katharina gebracht und er erſt nicht
hatt' ein Ende finden können, brach er gleichwol
plötzlich ab und ſchauete mich an.

„Wiſſet Ihr, Herr Johannes,“ ſagte er, „'s
iſt grauſam Schad', daß Ihr nicht auch ein
Wappen habet gleich dem von der Riſch da
drüben!“

Und da ſolche Rede mir das Blut in's Ge¬
ſicht jagete, klopfte er mit ſeiner harten Hand
mir auf die Schulter, meinend: „Nun, nun,
Herr Johannes; 's war ein dummes Wort von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0060" n="46"/>
      <p>Ich war nun in meinem Kämmerchen ober<lb/>
dem Hofthor einlogiret, dem alten Dieterich zur<lb/>
&#x017F;ondern Freude; denn am Feyerabend &#x017F;aßen wir<lb/>
auf &#x017F;einer Tragki&#x017F;t', und ließ ich mir, gleichwie<lb/>
in der Knabenzeit, von ihm erzählen. Er rauchte<lb/>
dann wol eine Pfeife Tabak, welche Sitte durch<lb/>
das Kriegsvolk auch hier in Gang gekommen<lb/>
war, und holete allerlei Ge&#x017F;chichten aus den<lb/>
Drang&#x017F;alen, &#x017F;o &#x017F;ie durch die fremden Truppen<lb/>
auf dem Hof und unten in dem Dorf erleiden<lb/>&#x017F;&#x017F;en; einmal aber, da ich &#x017F;eine Rede auf das<lb/>
gute Frölen Katharina gebracht und er er&#x017F;t nicht<lb/>
hatt' ein Ende finden können, brach er gleichwol<lb/>
plötzlich ab und &#x017F;chauete mich an.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Wi&#x017F;&#x017F;et Ihr, Herr Johannes,&#x201C; &#x017F;agte er, &#x201E;'s<lb/>
i&#x017F;t grau&#x017F;am Schad', daß Ihr nicht auch ein<lb/>
Wappen habet gleich dem von der Ri&#x017F;ch da<lb/>
drüben!&#x201C;</p><lb/>
      <p>Und da &#x017F;olche Rede mir das Blut in's Ge¬<lb/>
&#x017F;icht jagete, klopfte er mit &#x017F;einer harten Hand<lb/>
mir auf die Schulter, meinend: &#x201E;Nun, nun,<lb/>
Herr Johannes; 's war ein dummes Wort von<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] Ich war nun in meinem Kämmerchen ober dem Hofthor einlogiret, dem alten Dieterich zur ſondern Freude; denn am Feyerabend ſaßen wir auf ſeiner Tragkiſt', und ließ ich mir, gleichwie in der Knabenzeit, von ihm erzählen. Er rauchte dann wol eine Pfeife Tabak, welche Sitte durch das Kriegsvolk auch hier in Gang gekommen war, und holete allerlei Geſchichten aus den Drangſalen, ſo ſie durch die fremden Truppen auf dem Hof und unten in dem Dorf erleiden müſſen; einmal aber, da ich ſeine Rede auf das gute Frölen Katharina gebracht und er erſt nicht hatt' ein Ende finden können, brach er gleichwol plötzlich ab und ſchauete mich an. „Wiſſet Ihr, Herr Johannes,“ ſagte er, „'s iſt grauſam Schad', daß Ihr nicht auch ein Wappen habet gleich dem von der Riſch da drüben!“ Und da ſolche Rede mir das Blut in's Ge¬ ſicht jagete, klopfte er mit ſeiner harten Hand mir auf die Schulter, meinend: „Nun, nun, Herr Johannes; 's war ein dummes Wort von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/60
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/60>, abgerufen am 27.11.2024.