vonnöthen sein; vom Krieg her ist noch viel ver¬ laufen Volk zurückgeblieben."
"Ach, Herr Johannes!" Und der alte Mann stund immer noch, als wolle er mich nicht zum Hof hinauflassen. "Ihr seid in schlimmer Zeit gekommen!"
Ich sah ihn an, sagte aber nur: "Freilich, Dieterich; aus mancher Fensterhöhlung schaut statt des Bauern itzt der Wolf heraus; hab' dergleichen auch gesehen; aber es ist ja Frieden worden, und der gute Herr im Schloß wird helfen, seine Hand ist offen."
Mit diesen Worten wollte ich, obschon die Hunde mich wieder anknurreten, auf den Hof hinausgehen; aber der Greis trat mir in den Weg. "Herr Johannes," rief er, "ehe Ihr weiter gehet, höret mich an! Euer Brieflein ist zwar richtig mit der Königlichen Post von Ham¬ burg kommen; aber den rechten Leser hat es nicht mehr finden können."
"Dieterich!" schrie ich. "Dieterich!"
"-- Ja, ja, Herr Johannes! hier ist die
Storm, Aquis submersus. 3
vonnöthen ſein; vom Krieg her iſt noch viel ver¬ laufen Volk zurückgeblieben.“
„Ach, Herr Johannes!“ Und der alte Mann ſtund immer noch, als wolle er mich nicht zum Hof hinauflaſſen. „Ihr ſeid in ſchlimmer Zeit gekommen!“
Ich ſah ihn an, ſagte aber nur: „Freilich, Dieterich; aus mancher Fenſterhöhlung ſchaut ſtatt des Bauern itzt der Wolf heraus; hab' dergleichen auch geſehen; aber es iſt ja Frieden worden, und der gute Herr im Schloß wird helfen, ſeine Hand iſt offen.“
Mit dieſen Worten wollte ich, obſchon die Hunde mich wieder anknurreten, auf den Hof hinausgehen; aber der Greis trat mir in den Weg. „Herr Johannes,“ rief er, „ehe Ihr weiter gehet, höret mich an! Euer Brieflein iſt zwar richtig mit der Königlichen Poſt von Ham¬ burg kommen; aber den rechten Leſer hat es nicht mehr finden können.“
„Dieterich!“ ſchrie ich. „Dieterich!“
„— Ja, ja, Herr Johannes! hier iſt die
Storm, Aquis submersus. 3
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vonnöthen ſein; vom Krieg her iſt noch viel ver¬
laufen Volk zurückgeblieben.“
„Ach, Herr Johannes!“ Und der alte Mann
ſtund immer noch, als wolle er mich nicht zum
Hof hinauflaſſen. „Ihr ſeid in ſchlimmer Zeit
gekommen!“
Ich ſah ihn an, ſagte aber nur: „Freilich,
Dieterich; aus mancher Fenſterhöhlung ſchaut
ſtatt des Bauern itzt der Wolf heraus; hab'
dergleichen auch geſehen; aber es iſt ja Frieden
worden, und der gute Herr im Schloß wird
helfen, ſeine Hand iſt offen.“
Mit dieſen Worten wollte ich, obſchon die
Hunde mich wieder anknurreten, auf den Hof
hinausgehen; aber der Greis trat mir in den
Weg. „Herr Johannes,“ rief er, „ehe Ihr
weiter gehet, höret mich an! Euer Brieflein iſt
zwar richtig mit der Königlichen Poſt von Ham¬
burg kommen; aber den rechten Leſer hat es
nicht mehr finden können.“
„Dieterich!“ ſchrie ich. „Dieterich!“
„— Ja, ja, Herr Johannes! hier iſt die
Storm, Aquis submersus. 3
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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/47>, abgerufen am 16.07.2024.
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