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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Er sah mich verwundert an. "Das alte
Bild? Das ist von unserer Möddersch," erwie¬
derte er: "es stammt von ihrem Urgroßonkel,
der ein Maler gewesen und vor mehr als hun¬
dert Jahren hier gewohnt hat. Es sind noch
andre Siebensachen von ihm da."

Bei diesen Worten zeigte er nach einer kleinen
Lade von Eichenholz, aus welcher allerlei geo¬
metrische Figuren recht zierlich eingeschnitten waren.

Als ich sie von dem Schranke, auf dem sie
stand, herunternahm, fiel der Deckel zurück, und
es zeigten sich mir als Inhalt einige stark ver¬
gilbte Papierblätter mit sehr alten Schriftzügen.

"Darf ich die Blätter lesen?" fragte ich.

"Wenn's Ihnen Plaisir macht," erwiederte
der Meister, "so mögen Sie die ganze Sache mit
nach Hause nehmen; es sind so alte Schriften;
Werth steckt nicht darin."

Ich aber erbat mir und erhielt auch die Er¬
laubniß, diese werthlosen Schriften hier an Ort
und Stelle lesen zu dürfen; und während ich
mich dem alten Bilde gegenüber in einen mäch¬

Er ſah mich verwundert an. „Das alte
Bild? Das iſt von unſerer Mödderſch,“ erwie¬
derte er: „es ſtammt von ihrem Urgroßonkel,
der ein Maler geweſen und vor mehr als hun¬
dert Jahren hier gewohnt hat. Es ſind noch
andre Siebenſachen von ihm da.“

Bei dieſen Worten zeigte er nach einer kleinen
Lade von Eichenholz, aus welcher allerlei geo¬
metriſche Figuren recht zierlich eingeſchnitten waren.

Als ich ſie von dem Schranke, auf dem ſie
ſtand, herunternahm, fiel der Deckel zurück, und
es zeigten ſich mir als Inhalt einige ſtark ver¬
gilbte Papierblätter mit ſehr alten Schriftzügen.

„Darf ich die Blätter leſen?“ fragte ich.

„Wenn's Ihnen Plaiſir macht,“ erwiederte
der Meiſter, „ſo mögen Sie die ganze Sache mit
nach Hauſe nehmen; es ſind ſo alte Schriften;
Werth ſteckt nicht darin.“

Ich aber erbat mir und erhielt auch die Er¬
laubniß, dieſe werthloſen Schriften hier an Ort
und Stelle leſen zu dürfen; und während ich
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[16/0030] Er ſah mich verwundert an. „Das alte Bild? Das iſt von unſerer Mödderſch,“ erwie¬ derte er: „es ſtammt von ihrem Urgroßonkel, der ein Maler geweſen und vor mehr als hun¬ dert Jahren hier gewohnt hat. Es ſind noch andre Siebenſachen von ihm da.“ Bei dieſen Worten zeigte er nach einer kleinen Lade von Eichenholz, aus welcher allerlei geo¬ metriſche Figuren recht zierlich eingeſchnitten waren. Als ich ſie von dem Schranke, auf dem ſie ſtand, herunternahm, fiel der Deckel zurück, und es zeigten ſich mir als Inhalt einige ſtark ver¬ gilbte Papierblätter mit ſehr alten Schriftzügen. „Darf ich die Blätter leſen?“ fragte ich. „Wenn's Ihnen Plaiſir macht,“ erwiederte der Meiſter, „ſo mögen Sie die ganze Sache mit nach Hauſe nehmen; es ſind ſo alte Schriften; Werth ſteckt nicht darin.“ Ich aber erbat mir und erhielt auch die Er¬ laubniß, dieſe werthloſen Schriften hier an Ort und Stelle leſen zu dürfen; und während ich mich dem alten Bilde gegenüber in einen mäch¬

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/30>, abgerufen am 11.12.2024.