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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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seinem Stabe die Todten nach sich gezogen haben.
Schon war ich am jenseitigen Rande des Hollun¬
dergebüsches, das hier ohne Verzäunung in die
Koppel ausläuft, da sahe ich den kleinen Johan¬
nes mit einem Aermchen voll Moos, wie es
hier in dem kümmerlichen Grase wächst, gegen¬
über hinter die Weiden gehen; er mochte sich
dort damit nach Kinderart ein Gärtchen angeleget
haben. Und wieder kam die holde Stimme an
mein Ohr: "Nun heb nur an; nun hast du
einen ganzen Haufen! Ja, ja; ich such' derweil
noch mehr; dort am Hollunder wächst genug!"

Und dann trat sie selber hinter den Weiden
hervor; ich hatte ja längst schon nicht gezweifelt.
-- Mit den Augen auf dem Boden suchend,
schritt sie zu mir her, so daß ich ungestöret sie
betrachten durfte; und mir war, als gliche sie
nun gar seltsam dem Kinde wieder, das sie einst
gewesen war, für das ich den "Buhz" einst von
dem Baum herabgeschossen hatte; aber dieses
Kinderantlitz von heute war bleich, und weder
Glück noch Muth darin zu lesen.

ſeinem Stabe die Todten nach ſich gezogen haben.
Schon war ich am jenſeitigen Rande des Hollun¬
dergebüſches, das hier ohne Verzäunung in die
Koppel ausläuft, da ſahe ich den kleinen Johan¬
nes mit einem Aermchen voll Moos, wie es
hier in dem kümmerlichen Graſe wächſt, gegen¬
über hinter die Weiden gehen; er mochte ſich
dort damit nach Kinderart ein Gärtchen angeleget
haben. Und wieder kam die holde Stimme an
mein Ohr: „Nun heb nur an; nun haſt du
einen ganzen Haufen! Ja, ja; ich ſuch' derweil
noch mehr; dort am Hollunder wächſt genug!“

Und dann trat ſie ſelber hinter den Weiden
hervor; ich hatte ja längſt ſchon nicht gezweifelt.
— Mit den Augen auf dem Boden ſuchend,
ſchritt ſie zu mir her, ſo daß ich ungeſtöret ſie
betrachten durfte; und mir war, als gliche ſie
nun gar ſeltſam dem Kinde wieder, das ſie einſt
geweſen war, für das ich den „Buhz“ einſt von
dem Baum herabgeſchoſſen hatte; aber dieſes
Kinderantlitz von heute war bleich, und weder
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[139/0153] ſeinem Stabe die Todten nach ſich gezogen haben. Schon war ich am jenſeitigen Rande des Hollun¬ dergebüſches, das hier ohne Verzäunung in die Koppel ausläuft, da ſahe ich den kleinen Johan¬ nes mit einem Aermchen voll Moos, wie es hier in dem kümmerlichen Graſe wächſt, gegen¬ über hinter die Weiden gehen; er mochte ſich dort damit nach Kinderart ein Gärtchen angeleget haben. Und wieder kam die holde Stimme an mein Ohr: „Nun heb nur an; nun haſt du einen ganzen Haufen! Ja, ja; ich ſuch' derweil noch mehr; dort am Hollunder wächſt genug!“ Und dann trat ſie ſelber hinter den Weiden hervor; ich hatte ja längſt ſchon nicht gezweifelt. — Mit den Augen auf dem Boden ſuchend, ſchritt ſie zu mir her, ſo daß ich ungeſtöret ſie betrachten durfte; und mir war, als gliche ſie nun gar ſeltſam dem Kinde wieder, das ſie einſt geweſen war, für das ich den „Buhz“ einſt von dem Baum herabgeſchoſſen hatte; aber dieſes Kinderantlitz von heute war bleich, und weder Glück noch Muth darin zu leſen.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/153>, abgerufen am 25.11.2024.