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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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an unserem Hause laut redend in die Krämer¬
straße einbog, hörete ich Einen unter ihnen sagen:
"Ei freilich; das hat der Teufel uns verpurret!
Hatte mich leblang darauf gespitzet, einmal eine
richtige Hex' so in der Flammen singen zu hören!"

Die Leuchten und die lustigen Leute gingen
weiter, und draußen die Stadt lag wieder still
und dunkel.

"O weh!" sprach mein Bruder; "den trübet,
was mich tröstet."

Da fiel es mir erst wieder bei, daß am näch¬
sten Morgen die Stadt ein grausam Spektakul
vor sich habe. Zwar war die junge Person, so
wegen einbekannten Bündnissen mit dem Satan
zu Aschen sollte verbrannt werden, am heutigen
Morgen vom Frohne todt in ihrem Kerker auf¬
gefunden worden; aber dem todten Leibe mußte
gleichwol sein peinlich Recht geschehen.

Das war nun vielen Leuten gleich einer kalt
gestellten Suppen. Hatte doch auch die Buch¬
führer-Wittwe Liebernickel, so unter dem Thurm
der Kirche den grünen Bücherschranken hat, mir

Storm, Aquis submersus. 9

an unſerem Hauſe laut redend in die Krämer¬
ſtraße einbog, hörete ich Einen unter ihnen ſagen:
„Ei freilich; das hat der Teufel uns verpurret!
Hatte mich leblang darauf geſpitzet, einmal eine
richtige Hex' ſo in der Flammen ſingen zu hören!“

Die Leuchten und die luſtigen Leute gingen
weiter, und draußen die Stadt lag wieder ſtill
und dunkel.

„O weh!“ ſprach mein Bruder; „den trübet,
was mich tröſtet.“

Da fiel es mir erſt wieder bei, daß am näch¬
ſten Morgen die Stadt ein grauſam Spektakul
vor ſich habe. Zwar war die junge Perſon, ſo
wegen einbekannten Bündniſſen mit dem Satan
zu Aſchen ſollte verbrannt werden, am heutigen
Morgen vom Frohne todt in ihrem Kerker auf¬
gefunden worden; aber dem todten Leibe mußte
gleichwol ſein peinlich Recht geſchehen.

Das war nun vielen Leuten gleich einer kalt
geſtellten Suppen. Hatte doch auch die Buch¬
führer-Wittwe Liebernickel, ſo unter dem Thurm
der Kirche den grünen Bücherſchranken hat, mir

Storm, Aquis submersus. 9
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[129/0143] an unſerem Hauſe laut redend in die Krämer¬ ſtraße einbog, hörete ich Einen unter ihnen ſagen: „Ei freilich; das hat der Teufel uns verpurret! Hatte mich leblang darauf geſpitzet, einmal eine richtige Hex' ſo in der Flammen ſingen zu hören!“ Die Leuchten und die luſtigen Leute gingen weiter, und draußen die Stadt lag wieder ſtill und dunkel. „O weh!“ ſprach mein Bruder; „den trübet, was mich tröſtet.“ Da fiel es mir erſt wieder bei, daß am näch¬ ſten Morgen die Stadt ein grauſam Spektakul vor ſich habe. Zwar war die junge Perſon, ſo wegen einbekannten Bündniſſen mit dem Satan zu Aſchen ſollte verbrannt werden, am heutigen Morgen vom Frohne todt in ihrem Kerker auf¬ gefunden worden; aber dem todten Leibe mußte gleichwol ſein peinlich Recht geſchehen. Das war nun vielen Leuten gleich einer kalt geſtellten Suppen. Hatte doch auch die Buch¬ führer-Wittwe Liebernickel, ſo unter dem Thurm der Kirche den grünen Bücherſchranken hat, mir Storm, Aquis submersus. 9

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/143>, abgerufen am 24.11.2024.