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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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So saß ich eines Abends nach vollbrachtem
Tagewerke mit meinem Bruder unten in unserem
Wohngemache. Auf dem Tisch am Ofen war die
Kerze fast herabgebrannt und die holländische
Schlaguhr hatte schon auf Eilf gewarnt; wir
aber saßen am Fenster und hatten der Gegen¬
wart vergessen; denn wir gedachten der kurzen
Zeit, die wir mitsammen in unserer Eltern Haus
verlebet hatten; auch unseres einzigen lieben
Schwesterleins gedachten wir, das im ersten
Kindbette verstorben und nun seit lange schon
mit Vater und Mutter einer fröhlichen Aufer¬
stehung entgegenharrete. -- Wir hatten die Läden
nicht vorgeschlagen; denn es that uns wohl,
durch das Dunkel, so draußen auf den Erden¬
wohnungen der Stadt lag, in das Sternenlicht
des ewigen Himmels hinaufzublicken.

Am Ende verstummeten wir Beide in uns
selber, und wie aus einem dunklen Strome
trieben meine Gedanken zu ihr, bei der sie allzeit
Rast und Unrast fanden. -- -- Da, gleich einem
Stern aus unsichtbaren Höhen, fiel es mir jäh¬

So ſaß ich eines Abends nach vollbrachtem
Tagewerke mit meinem Bruder unten in unſerem
Wohngemache. Auf dem Tiſch am Ofen war die
Kerze faſt herabgebrannt und die holländiſche
Schlaguhr hatte ſchon auf Eilf gewarnt; wir
aber ſaßen am Fenſter und hatten der Gegen¬
wart vergeſſen; denn wir gedachten der kurzen
Zeit, die wir mitſammen in unſerer Eltern Haus
verlebet hatten; auch unſeres einzigen lieben
Schweſterleins gedachten wir, das im erſten
Kindbette verſtorben und nun ſeit lange ſchon
mit Vater und Mutter einer fröhlichen Aufer¬
ſtehung entgegenharrete. — Wir hatten die Läden
nicht vorgeſchlagen; denn es that uns wohl,
durch das Dunkel, ſo draußen auf den Erden¬
wohnungen der Stadt lag, in das Sternenlicht
des ewigen Himmels hinaufzublicken.

Am Ende verſtummeten wir Beide in uns
ſelber, und wie aus einem dunklen Strome
trieben meine Gedanken zu ihr, bei der ſie allzeit
Raſt und Unraſt fanden. — — Da, gleich einem
Stern aus unſichtbaren Höhen, fiel es mir jäh¬

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[127/0141] So ſaß ich eines Abends nach vollbrachtem Tagewerke mit meinem Bruder unten in unſerem Wohngemache. Auf dem Tiſch am Ofen war die Kerze faſt herabgebrannt und die holländiſche Schlaguhr hatte ſchon auf Eilf gewarnt; wir aber ſaßen am Fenſter und hatten der Gegen¬ wart vergeſſen; denn wir gedachten der kurzen Zeit, die wir mitſammen in unſerer Eltern Haus verlebet hatten; auch unſeres einzigen lieben Schweſterleins gedachten wir, das im erſten Kindbette verſtorben und nun ſeit lange ſchon mit Vater und Mutter einer fröhlichen Aufer¬ ſtehung entgegenharrete. — Wir hatten die Läden nicht vorgeſchlagen; denn es that uns wohl, durch das Dunkel, ſo draußen auf den Erden¬ wohnungen der Stadt lag, in das Sternenlicht des ewigen Himmels hinaufzublicken. Am Ende verſtummeten wir Beide in uns ſelber, und wie aus einem dunklen Strome trieben meine Gedanken zu ihr, bei der ſie allzeit Raſt und Unraſt fanden. — — Da, gleich einem Stern aus unſichtbaren Höhen, fiel es mir jäh¬

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/141>, abgerufen am 24.11.2024.