Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Walde spielete die Nacht in stummen Blitzen. --
O Hüter, Hüter, war Dein Ruf so fern?

-- -- Wol weiß ich noch, daß vom Hofe
her plötzlich scharf die Hähne krähten, und daß
ich ein blaß und weinend Weib in meinen Ar¬
men hielt, die mich nicht lassen wollte, unachtend,
daß überm Garten der Morgen dämmerte und
rothen Schein in unsre Kammer warf. Dann
aber, da sie deß' inne wurde, trieb sie, wie von
Todesangst geschreckt, mich fort.

Noch einen Kuß, noch hundert; ein flüchtig
Wort noch: wann für das Gesind zu Mittage
geläutet würde, dann wollten wir im Tannen¬
wald uns treffen; und dann -- ich wußte selber
kaum, wie mir's geschehen -- stund ich im Garten,
unten in der kühlen Morgenluft.

Noch einmal, indem ich meinen von den Hun¬
den zerfetzten Mantel aufhob, schaute ich empor
und sah ein blasses Händlein mir zum Abschied
winken. Nahezu erschrocken aber wurd' ich, da
meine Augen bei einem Rückblick aus dem Garten¬
steig von ungefähr die unteren Fenster neben

Walde ſpielete die Nacht in ſtummen Blitzen. —
O Hüter, Hüter, war Dein Ruf ſo fern?

— — Wol weiß ich noch, daß vom Hofe
her plötzlich ſcharf die Hähne krähten, und daß
ich ein blaß und weinend Weib in meinen Ar¬
men hielt, die mich nicht laſſen wollte, unachtend,
daß überm Garten der Morgen dämmerte und
rothen Schein in unſre Kammer warf. Dann
aber, da ſie deß' inne wurde, trieb ſie, wie von
Todesangſt geſchreckt, mich fort.

Noch einen Kuß, noch hundert; ein flüchtig
Wort noch: wann für das Geſind zu Mittage
geläutet würde, dann wollten wir im Tannen¬
wald uns treffen; und dann — ich wußte ſelber
kaum, wie mir's geſchehen — ſtund ich im Garten,
unten in der kühlen Morgenluft.

Noch einmal, indem ich meinen von den Hun¬
den zerfetzten Mantel aufhob, ſchaute ich empor
und ſah ein blaſſes Händlein mir zum Abſchied
winken. Nahezu erſchrocken aber wurd' ich, da
meine Augen bei einem Rückblick aus dem Garten¬
ſteig von ungefähr die unteren Fenſter neben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0100" n="86"/>
Walde &#x017F;pielete die Nacht in &#x017F;tummen Blitzen. &#x2014;<lb/>
O Hüter, Hüter, war Dein Ruf &#x017F;o fern?</p><lb/>
      <p>&#x2014; &#x2014; Wol weiß ich noch, daß vom Hofe<lb/>
her plötzlich &#x017F;charf die Hähne krähten, und daß<lb/>
ich ein blaß und weinend Weib in meinen Ar¬<lb/>
men hielt, die mich nicht la&#x017F;&#x017F;en wollte, unachtend,<lb/>
daß überm Garten der Morgen dämmerte und<lb/>
rothen Schein in un&#x017F;re Kammer warf. Dann<lb/>
aber, da &#x017F;ie deß' inne wurde, trieb &#x017F;ie, wie von<lb/>
Todesang&#x017F;t ge&#x017F;chreckt, mich fort.</p><lb/>
      <p>Noch einen Kuß, noch hundert; ein flüchtig<lb/>
Wort noch: wann für das Ge&#x017F;ind zu Mittage<lb/>
geläutet würde, dann wollten wir im Tannen¬<lb/>
wald uns treffen; und dann &#x2014; ich wußte &#x017F;elber<lb/>
kaum, wie mir's ge&#x017F;chehen &#x2014; &#x017F;tund ich im Garten,<lb/>
unten in der kühlen Morgenluft.</p><lb/>
      <p>Noch einmal, indem ich meinen von den Hun¬<lb/>
den zerfetzten Mantel aufhob, &#x017F;chaute ich empor<lb/>
und &#x017F;ah ein bla&#x017F;&#x017F;es Händlein mir zum Ab&#x017F;chied<lb/>
winken. Nahezu er&#x017F;chrocken aber wurd' ich, da<lb/>
meine Augen bei einem Rückblick aus dem Garten¬<lb/>
&#x017F;teig von ungefähr die unteren Fen&#x017F;ter neben<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0100] Walde ſpielete die Nacht in ſtummen Blitzen. — O Hüter, Hüter, war Dein Ruf ſo fern? — — Wol weiß ich noch, daß vom Hofe her plötzlich ſcharf die Hähne krähten, und daß ich ein blaß und weinend Weib in meinen Ar¬ men hielt, die mich nicht laſſen wollte, unachtend, daß überm Garten der Morgen dämmerte und rothen Schein in unſre Kammer warf. Dann aber, da ſie deß' inne wurde, trieb ſie, wie von Todesangſt geſchreckt, mich fort. Noch einen Kuß, noch hundert; ein flüchtig Wort noch: wann für das Geſind zu Mittage geläutet würde, dann wollten wir im Tannen¬ wald uns treffen; und dann — ich wußte ſelber kaum, wie mir's geſchehen — ſtund ich im Garten, unten in der kühlen Morgenluft. Noch einmal, indem ich meinen von den Hun¬ den zerfetzten Mantel aufhob, ſchaute ich empor und ſah ein blaſſes Händlein mir zum Abſchied winken. Nahezu erſchrocken aber wurd' ich, da meine Augen bei einem Rückblick aus dem Garten¬ ſteig von ungefähr die unteren Fenſter neben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/100
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/100>, abgerufen am 27.11.2024.