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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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auch hierauf gerichtet, und man kann vielleicht
nirgend unter gleichem Himmelsstrich alle Er-
zeugnisse der Küchengärtnerey so früh und so
spät in so großer Vollkommenheit genießen, als
hier. Dieses Gewerbe wird größtentheils von
Bauern aus Rostow und der umliegenden Ge-
gend betrieben, die nach einem kürzern oder
längern Aufenthalt mit einem durch ihre In-
dustrie erworbenen Kapitale zurück in ihre Pro-
vinz ziehn. Wie einträglich dieser Nahrungs-
zweig bey dem herrschenden Tafelluxus seyn
muß, läßt sich leicht denken. -- Als der
Fürst Potemkin, während seines letzten Au-
fenthalts in der Residenz, eines Tages bey dem
Grafen Tschernischew speiste, meldete sich
ein raffinirender Selenschtschik (Grünhändler)
mit fünf außerordentlich schönen Gurken, die
gerade und um diese Jahrszeit sehr selten wa-
ren und die der Fürst überaus gerne aß. Der
Haushofmeister nimmt sie in Empfang und
überreicht sie seinem Herrn, der eben mit dem
Fürsten zur Tafel saß. Die Gurken werden
sogleich verzehrt, und der Graf läßt dem Grün-
händler, als ein Geschenk für die angenehme
Ueberraschung, hundert Rubel einhändigen,

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auch hierauf gerichtet, und man kann vielleicht
nirgend unter gleichem Himmelsſtrich alle Er-
zeugniſſe der Kuͤchengaͤrtnerey ſo fruͤh und ſo
ſpaͤt in ſo großer Vollkommenheit genießen, als
hier. Dieſes Gewerbe wird groͤßtentheils von
Bauern aus Roſtow und der umliegenden Ge-
gend betrieben, die nach einem kuͤrzern oder
laͤngern Aufenthalt mit einem durch ihre In-
duſtrie erworbenen Kapitale zuruͤck in ihre Pro-
vinz ziehn. Wie eintraͤglich dieſer Nahrungs-
zweig bey dem herrſchenden Tafelluxus ſeyn
muß, laͤßt ſich leicht denken. — Als der
Fuͤrſt Potemkin, waͤhrend ſeines letzten Au-
fenthalts in der Reſidenz, eines Tages bey dem
Grafen Tſcherniſchew ſpeiſte, meldete ſich
ein raffinirender Selenſchtſchik (Gruͤnhaͤndler)
mit fuͤnf außerordentlich ſchoͤnen Gurken, die
gerade und um dieſe Jahrszeit ſehr ſelten wa-
ren und die der Fuͤrſt uͤberaus gerne aß. Der
Haushofmeiſter nimmt ſie in Empfang und
uͤberreicht ſie ſeinem Herrn, der eben mit dem
Fuͤrſten zur Tafel ſaß. Die Gurken werden
ſogleich verzehrt, und der Graf laͤßt dem Gruͤn-
haͤndler, als ein Geſchenk fuͤr die angenehme
Ueberraſchung, hundert Rubel einhaͤndigen,

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[51/0067] auch hierauf gerichtet, und man kann vielleicht nirgend unter gleichem Himmelsſtrich alle Er- zeugniſſe der Kuͤchengaͤrtnerey ſo fruͤh und ſo ſpaͤt in ſo großer Vollkommenheit genießen, als hier. Dieſes Gewerbe wird groͤßtentheils von Bauern aus Roſtow und der umliegenden Ge- gend betrieben, die nach einem kuͤrzern oder laͤngern Aufenthalt mit einem durch ihre In- duſtrie erworbenen Kapitale zuruͤck in ihre Pro- vinz ziehn. Wie eintraͤglich dieſer Nahrungs- zweig bey dem herrſchenden Tafelluxus ſeyn muß, laͤßt ſich leicht denken. — Als der Fuͤrſt Potemkin, waͤhrend ſeines letzten Au- fenthalts in der Reſidenz, eines Tages bey dem Grafen Tſcherniſchew ſpeiſte, meldete ſich ein raffinirender Selenſchtſchik (Gruͤnhaͤndler) mit fuͤnf außerordentlich ſchoͤnen Gurken, die gerade und um dieſe Jahrszeit ſehr ſelten wa- ren und die der Fuͤrſt uͤberaus gerne aß. Der Haushofmeiſter nimmt ſie in Empfang und uͤberreicht ſie ſeinem Herrn, der eben mit dem Fuͤrſten zur Tafel ſaß. Die Gurken werden ſogleich verzehrt, und der Graf laͤßt dem Gruͤn- haͤndler, als ein Geſchenk fuͤr die angenehme Ueberraſchung, hundert Rubel einhaͤndigen, D 2

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/67>, abgerufen am 25.11.2024.