borgenen Zusammenhang entdecken könnte, würde sehr oft in dem Thun und Lassen der Menschen eine größere Uebereinstimmung fin- den.
Ohne den Petersburgern also diese Inkon- sequenz allzuhoch anzurechnen, oder sie deswe- gen gar vor den Richterstuhl der Philosophie zu citiren, wird der aufgeklärte und billige Beobachter diesen Schatten in einem sonst so lichten und lieblichen Gemälde leicht übersehen. In der That, wenn die Schwachheiten der Menschen überall durch so anziehende Vorzüge aufgewogen würden, so könnte man hoffen, selbst den finstersten Misanthropen und den giftigsten Satirenschreiber zu bekehren. Wer hätte wol das Herz einer Menschengattung gram zu seyn, bey welcher Gutmüthigkeit und Jovialität herrschende Karakterzüge sind und jede Farbe brechen, die in dem bun- ten Gemälde ihrer Sitten, Leidenschaften und Launen spielt? Diese beyden Eigenschaften sind es, die jedem Fremden den Aufenthalt in der Residenz so angenehm machen, und jeden Ein- wohner, der sich hie und da von gewissen Ei- genheiten und Thorheiten gedrückt fühlt, wie-
borgenen Zuſammenhang entdecken koͤnnte, wuͤrde ſehr oft in dem Thun und Laſſen der Menſchen eine groͤßere Uebereinſtimmung fin- den.
Ohne den Petersburgern alſo dieſe Inkon- ſequenz allzuhoch anzurechnen, oder ſie deswe- gen gar vor den Richterſtuhl der Philoſophie zu citiren, wird der aufgeklaͤrte und billige Beobachter dieſen Schatten in einem ſonſt ſo lichten und lieblichen Gemaͤlde leicht uͤberſehen. In der That, wenn die Schwachheiten der Menſchen uͤberall durch ſo anziehende Vorzuͤge aufgewogen wuͤrden, ſo koͤnnte man hoffen, ſelbſt den finſterſten Miſanthropen und den giftigſten Satirenſchreiber zu bekehren. Wer haͤtte wol das Herz einer Menſchengattung gram zu ſeyn, bey welcher Gutmuͤthigkeit und Jovialitaͤt herrſchende Karakterzuͤge ſind und jede Farbe brechen, die in dem bun- ten Gemaͤlde ihrer Sitten, Leidenſchaften und Launen ſpielt? Dieſe beyden Eigenſchaften ſind es, die jedem Fremden den Aufenthalt in der Reſidenz ſo angenehm machen, und jeden Ein- wohner, der ſich hie und da von gewiſſen Ei- genheiten und Thorheiten gedruͤckt fuͤhlt, wie-
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borgenen Zuſammenhang entdecken koͤnnte,
wuͤrde ſehr oft in dem Thun und Laſſen der
Menſchen eine groͤßere Uebereinſtimmung fin-
den.
Ohne den Petersburgern alſo dieſe Inkon-
ſequenz allzuhoch anzurechnen, oder ſie deswe-
gen gar vor den Richterſtuhl der Philoſophie
zu citiren, wird der aufgeklaͤrte und billige
Beobachter dieſen Schatten in einem ſonſt ſo
lichten und lieblichen Gemaͤlde leicht uͤberſehen.
In der That, wenn die Schwachheiten der
Menſchen uͤberall durch ſo anziehende Vorzuͤge
aufgewogen wuͤrden, ſo koͤnnte man hoffen,
ſelbſt den finſterſten Miſanthropen und den
giftigſten Satirenſchreiber zu bekehren. Wer
haͤtte wol das Herz einer Menſchengattung
gram zu ſeyn, bey welcher Gutmuͤthigkeit
und Jovialitaͤt herrſchende Karakterzuͤge
ſind und jede Farbe brechen, die in dem bun-
ten Gemaͤlde ihrer Sitten, Leidenſchaften und
Launen ſpielt? Dieſe beyden Eigenſchaften ſind
es, die jedem Fremden den Aufenthalt in der
Reſidenz ſo angenehm machen, und jeden Ein-
wohner, der ſich hie und da von gewiſſen Ei-
genheiten und Thorheiten gedruͤckt fuͤhlt, wie-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/532>, abgerufen am 26.11.2024.
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