Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

züglich viel Vergnügen fanden sie an den mi-
litairischen Uebungen in den hiesigen Kadetten-
korps, die ihr Erstaunen und ihre Bewunde-
rung in hohem Grade erregten. Die jungen,
unerzogenen Türken welche hieher gebracht
wurden, sind größtentheils in herrschaftliche
Häuser aufgenommen, wo man ihre Erziehung
mit seltner Liberalität besorgt.

Zu den interessanten Gegenständen dieser
Art gehören endlich auch die verschiedenen Erd-
bewohner mit gelben und braunen Gesichtern,
mit platten und breiten Nasen, mit und ohne
Schweinsaugen, u. s. w. die man hier fast zu
jeder Zeit sehen kann. -- Wie sonderbar auch
die Form beschaffen seyn mag, in welche die
große unenträthselte Natur ihren Stoff ge-
gossen hat: der menschliche Beobachter erkennt
das Wesen seiner Art auch unter dieser seltsa-
men Hülle. Der freye offne Sinn des Kal-
mücken, die Treue und Anhänglichkeit des Ta-
taren -- sind der Spiegel, der ihm das Bild
seines eignen Selbst zurückwirft. Leicht und
gern schließt er sich an das Geschöpf, an wel-
ches ein unsichtbares starkes Band ihn knüpft,
und versucht's, den Funken hervorzulocken, der

J i 4

zuͤglich viel Vergnuͤgen fanden ſie an den mi-
litairiſchen Uebungen in den hieſigen Kadetten-
korps, die ihr Erſtaunen und ihre Bewunde-
rung in hohem Grade erregten. Die jungen,
unerzogenen Tuͤrken welche hieher gebracht
wurden, ſind groͤßtentheils in herrſchaftliche
Haͤuſer aufgenommen, wo man ihre Erziehung
mit ſeltner Liberalitaͤt beſorgt.

Zu den intereſſanten Gegenſtaͤnden dieſer
Art gehoͤren endlich auch die verſchiedenen Erd-
bewohner mit gelben und braunen Geſichtern,
mit platten und breiten Naſen, mit und ohne
Schweinsaugen, u. ſ. w. die man hier faſt zu
jeder Zeit ſehen kann. — Wie ſonderbar auch
die Form beſchaffen ſeyn mag, in welche die
große unentraͤthſelte Natur ihren Stoff ge-
goſſen hat: der menſchliche Beobachter erkennt
das Weſen ſeiner Art auch unter dieſer ſeltſa-
men Huͤlle. Der freye offne Sinn des Kal-
muͤcken, die Treue und Anhaͤnglichkeit des Ta-
taren — ſind der Spiegel, der ihm das Bild
ſeines eignen Selbſt zuruͤckwirft. Leicht und
gern ſchließt er ſich an das Geſchoͤpf, an wel-
ches ein unſichtbares ſtarkes Band ihn knuͤpft,
und verſucht’s, den Funken hervorzulocken, der

J i 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0521" n="503"/>
zu&#x0364;glich viel Vergnu&#x0364;gen fanden &#x017F;ie an den mi-<lb/>
litairi&#x017F;chen Uebungen in den hie&#x017F;igen Kadetten-<lb/>
korps, die ihr Er&#x017F;taunen und ihre Bewunde-<lb/>
rung in hohem Grade erregten. Die jungen,<lb/>
unerzogenen Tu&#x0364;rken welche hieher gebracht<lb/>
wurden, &#x017F;ind gro&#x0364;ßtentheils in herr&#x017F;chaftliche<lb/>
Ha&#x0364;u&#x017F;er aufgenommen, wo man ihre Erziehung<lb/>
mit &#x017F;eltner Liberalita&#x0364;t be&#x017F;orgt.</p><lb/>
          <p>Zu den intere&#x017F;&#x017F;anten Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden die&#x017F;er<lb/>
Art geho&#x0364;ren endlich auch die ver&#x017F;chiedenen Erd-<lb/>
bewohner mit gelben und braunen Ge&#x017F;ichtern,<lb/>
mit platten und breiten Na&#x017F;en, mit und ohne<lb/>
Schweinsaugen, u. &#x017F;. w. die man hier fa&#x017F;t zu<lb/>
jeder Zeit &#x017F;ehen kann. &#x2014; Wie &#x017F;onderbar auch<lb/>
die Form be&#x017F;chaffen &#x017F;eyn mag, in welche die<lb/>
große unentra&#x0364;th&#x017F;elte Natur ihren Stoff ge-<lb/>
go&#x017F;&#x017F;en hat: der men&#x017F;chliche Beobachter erkennt<lb/>
das We&#x017F;en &#x017F;einer Art auch unter die&#x017F;er &#x017F;elt&#x017F;a-<lb/>
men Hu&#x0364;lle. Der freye offne Sinn des Kal-<lb/>
mu&#x0364;cken, die Treue und Anha&#x0364;nglichkeit des Ta-<lb/>
taren &#x2014; &#x017F;ind der Spiegel, der ihm das Bild<lb/>
&#x017F;eines eignen Selb&#x017F;t zuru&#x0364;ckwirft. Leicht und<lb/>
gern &#x017F;chließt er &#x017F;ich an das Ge&#x017F;cho&#x0364;pf, an wel-<lb/>
ches ein un&#x017F;ichtbares &#x017F;tarkes Band ihn knu&#x0364;pft,<lb/>
und ver&#x017F;ucht&#x2019;s, den Funken hervorzulocken, der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0521] zuͤglich viel Vergnuͤgen fanden ſie an den mi- litairiſchen Uebungen in den hieſigen Kadetten- korps, die ihr Erſtaunen und ihre Bewunde- rung in hohem Grade erregten. Die jungen, unerzogenen Tuͤrken welche hieher gebracht wurden, ſind groͤßtentheils in herrſchaftliche Haͤuſer aufgenommen, wo man ihre Erziehung mit ſeltner Liberalitaͤt beſorgt. Zu den intereſſanten Gegenſtaͤnden dieſer Art gehoͤren endlich auch die verſchiedenen Erd- bewohner mit gelben und braunen Geſichtern, mit platten und breiten Naſen, mit und ohne Schweinsaugen, u. ſ. w. die man hier faſt zu jeder Zeit ſehen kann. — Wie ſonderbar auch die Form beſchaffen ſeyn mag, in welche die große unentraͤthſelte Natur ihren Stoff ge- goſſen hat: der menſchliche Beobachter erkennt das Weſen ſeiner Art auch unter dieſer ſeltſa- men Huͤlle. Der freye offne Sinn des Kal- muͤcken, die Treue und Anhaͤnglichkeit des Ta- taren — ſind der Spiegel, der ihm das Bild ſeines eignen Selbſt zuruͤckwirft. Leicht und gern ſchließt er ſich an das Geſchoͤpf, an wel- ches ein unſichtbares ſtarkes Band ihn knuͤpft, und verſucht’s, den Funken hervorzulocken, der J i 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/521
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/521>, abgerufen am 22.11.2024.