gen sich nach Landesgebrauch, so weit dieser mit englischer Sitte bestehen kann. Ihr Na- tionalstolz, der daheim auf ihrer Insel gut Ding seyn mag, erhebt sie in ihrer Meynung auch hier über Russen und Ausländer.
In den Häusern der hiesigen Britten kann man sich den vollständigsten Begriff von der englischen Lebensart machen. Hausgeräth, Tafel, Unterhaltung, alles ist englisch -- bis auf das Kaminfeuer. Bekanntlich brennt man in England nur Steinkohlen wegen der Theu- rung des Holzes; hier, wo das Holz wohl- feiler ist, brennt jeder Engländer Steinkohlen.
Seit mehreren Jahren besteht eine engli- sche Ballgesellschaft, die keinen Tanzliebhaber zuläßt, der nicht zur brittischen Nation ge- hört. Der deutsche Ball ist zu tolerant, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Der Galeerenhof, eine der schönsten Ge- genden der Stadt, war ehemals beynahe nur von Engländern bewohnt, die diese Gasse die englische Linie nannten. Es schmeichelte ihrem Stolz, beysammen und abgesondert zu woh- nen und eine der besten Gegenden zu behaup-
gen ſich nach Landesgebrauch, ſo weit dieſer mit engliſcher Sitte beſtehen kann. Ihr Na- tionalſtolz, der daheim auf ihrer Inſel gut Ding ſeyn mag, erhebt ſie in ihrer Meynung auch hier uͤber Ruſſen und Auslaͤnder.
In den Haͤuſern der hieſigen Britten kann man ſich den vollſtaͤndigſten Begriff von der engliſchen Lebensart machen. Hausgeraͤth, Tafel, Unterhaltung, alles iſt engliſch — bis auf das Kaminfeuer. Bekanntlich brennt man in England nur Steinkohlen wegen der Theu- rung des Holzes; hier, wo das Holz wohl- feiler iſt, brennt jeder Englaͤnder Steinkohlen.
Seit mehreren Jahren beſteht eine engli- ſche Ballgeſellſchaft, die keinen Tanzliebhaber zulaͤßt, der nicht zur brittiſchen Nation ge- hoͤrt. Der deutſche Ball iſt zu tolerant, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Der Galeerenhof, eine der ſchoͤnſten Ge- genden der Stadt, war ehemals beynahe nur von Englaͤndern bewohnt, die dieſe Gaſſe die engliſche Linie nannten. Es ſchmeichelte ihrem Stolz, beyſammen und abgeſondert zu woh- nen und eine der beſten Gegenden zu behaup-
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gen ſich nach Landesgebrauch, ſo weit dieſer
mit engliſcher Sitte beſtehen kann. Ihr Na-
tionalſtolz, der daheim auf ihrer Inſel gut
Ding ſeyn mag, erhebt ſie in ihrer Meynung
auch hier uͤber Ruſſen und Auslaͤnder.
In den Haͤuſern der hieſigen Britten kann
man ſich den vollſtaͤndigſten Begriff von der
engliſchen Lebensart machen. Hausgeraͤth,
Tafel, Unterhaltung, alles iſt engliſch — bis
auf das Kaminfeuer. Bekanntlich brennt man
in England nur Steinkohlen wegen der Theu-
rung des Holzes; hier, wo das Holz wohl-
feiler iſt, brennt jeder Englaͤnder Steinkohlen.
Seit mehreren Jahren beſteht eine engli-
ſche Ballgeſellſchaft, die keinen Tanzliebhaber
zulaͤßt, der nicht zur brittiſchen Nation ge-
hoͤrt. Der deutſche Ball iſt zu tolerant, um
Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Der Galeerenhof, eine der ſchoͤnſten Ge-
genden der Stadt, war ehemals beynahe nur
von Englaͤndern bewohnt, die dieſe Gaſſe die
engliſche Linie nannten. Es ſchmeichelte ihrem
Stolz, beyſammen und abgeſondert zu woh-
nen und eine der beſten Gegenden zu behaup-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/518>, abgerufen am 25.11.2024.
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