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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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hat, wird er der Lehrmeister seiner rohen Mit-
brüder. Ein gewandter Kerl, der zu mehr
als Einem Fache taugt, hat nicht selten meh-
rere sehr abstechende Bestimmungen. Weibliche
Bediente erhalten Anweisung in den feinern
Arbeiten der Nadel, oder werden zu Putzma-
cherinnen in die Lehre gegeben, um hernach
Andern ihre Kunstfertigkeit mittheilen zu kön-
nen. Große, die Liebhaberey von der Musik
machen, bilden sich aus ihren Leuten eine Ka-
pelle, bey welcher nur der Direktor ein eigent-
licher Künstler zu seyn braucht. Zuweilen sen-
den Landbesitzer die fähigsten Köpfe unter ih-
ren Leibeigenen in fremde Länder, um sie für
einen bestimmten Zweck ausbilden zu lassen;
mir ist ein Beyspiel bekannt, da ein russischer
Bauer auf eine deutsche Universität geschickt
wurde, um dort die Physik und Astronomie zu
studieren, und nach seiner Zurückkunft ein Buch
schrieb, welches er seinem Erbherrn zueignete.
Auch auf seinen Gütern etablirt der Adel Hand-
werker und Manufakturisten, unter deren An-
führung die Bauern oft Produkte liefern, die
den besten Arbeiten der Ausländer wenig nach-
geben. Die große Empfänglichkeit der russi-

G g 4

hat, wird er der Lehrmeiſter ſeiner rohen Mit-
bruͤder. Ein gewandter Kerl, der zu mehr
als Einem Fache taugt, hat nicht ſelten meh-
rere ſehr abſtechende Beſtimmungen. Weibliche
Bediente erhalten Anweiſung in den feinern
Arbeiten der Nadel, oder werden zu Putzma-
cherinnen in die Lehre gegeben, um hernach
Andern ihre Kunſtfertigkeit mittheilen zu koͤn-
nen. Große, die Liebhaberey von der Muſik
machen, bilden ſich aus ihren Leuten eine Ka-
pelle, bey welcher nur der Direktor ein eigent-
licher Kuͤnſtler zu ſeyn braucht. Zuweilen ſen-
den Landbeſitzer die faͤhigſten Koͤpfe unter ih-
ren Leibeigenen in fremde Laͤnder, um ſie fuͤr
einen beſtimmten Zweck ausbilden zu laſſen;
mir iſt ein Beyſpiel bekannt, da ein ruſſiſcher
Bauer auf eine deutſche Univerſitaͤt geſchickt
wurde, um dort die Phyſik und Aſtronomie zu
ſtudieren, und nach ſeiner Zuruͤckkunft ein Buch
ſchrieb, welches er ſeinem Erbherrn zueignete.
Auch auf ſeinen Guͤtern etablirt der Adel Hand-
werker und Manufakturiſten, unter deren An-
fuͤhrung die Bauern oft Produkte liefern, die
den beſten Arbeiten der Auslaͤnder wenig nach-
geben. Die große Empfaͤnglichkeit der ruſſi-

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[471/0489] hat, wird er der Lehrmeiſter ſeiner rohen Mit- bruͤder. Ein gewandter Kerl, der zu mehr als Einem Fache taugt, hat nicht ſelten meh- rere ſehr abſtechende Beſtimmungen. Weibliche Bediente erhalten Anweiſung in den feinern Arbeiten der Nadel, oder werden zu Putzma- cherinnen in die Lehre gegeben, um hernach Andern ihre Kunſtfertigkeit mittheilen zu koͤn- nen. Große, die Liebhaberey von der Muſik machen, bilden ſich aus ihren Leuten eine Ka- pelle, bey welcher nur der Direktor ein eigent- licher Kuͤnſtler zu ſeyn braucht. Zuweilen ſen- den Landbeſitzer die faͤhigſten Koͤpfe unter ih- ren Leibeigenen in fremde Laͤnder, um ſie fuͤr einen beſtimmten Zweck ausbilden zu laſſen; mir iſt ein Beyſpiel bekannt, da ein ruſſiſcher Bauer auf eine deutſche Univerſitaͤt geſchickt wurde, um dort die Phyſik und Aſtronomie zu ſtudieren, und nach ſeiner Zuruͤckkunft ein Buch ſchrieb, welches er ſeinem Erbherrn zueignete. Auch auf ſeinen Guͤtern etablirt der Adel Hand- werker und Manufakturiſten, unter deren An- fuͤhrung die Bauern oft Produkte liefern, die den beſten Arbeiten der Auslaͤnder wenig nach- geben. Die große Empfaͤnglichkeit der ruſſi- G g 4

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/489>, abgerufen am 23.11.2024.