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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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nen schon vor ihrem zehnten Jahr an einen
lieben Jungen hängen; keine süßen Unterre-
dungen mit dem holden Vertrauten der Nacht,
und -- dem Himmel sey's gedankt! -- auch
keine Siegwarte giebt es hier. Alle Liebesge-
schichten eines Jahres zusammengenommen
würden kaum Stoff zu dem magersten Roman
hergeben, aber -- desto mehr liefern die Eh-
standsgeschichten.

Bey aller Geselligkeit sind wahre dauer-
hafte Freundschaften selten genug. Man be-
sucht viele Jahre hindurch Häuser in denen
man gut aufgenommen wird, ohne jemals zur
Kenntniß der Familienverhältnisse zu gelangen.
Die Verschlossenheit auf der einen, und die
Gleichgültigkeit auf der andern Seite gehen
oft so weit, daß man ein alter Bekannter des
Hauses seyn kann, ohne gerade die Anzahl der
Kinder zu wissen, oder von der Existenz eines
abwesenden nahen Verwandten unterrichtet zu
seyn. In den gewöhnlichen Zirkeln ist nur
von allgemeinen Dingen die Rede; hier er-
schöpft man seine Theilnahme für alltägliche,
oft uninteressante Begebenheiten, unterdessen
man Freuden und Leiden in seinem Busen

nen ſchon vor ihrem zehnten Jahr an einen
lieben Jungen haͤngen; keine ſuͤßen Unterre-
dungen mit dem holden Vertrauten der Nacht,
und — dem Himmel ſey’s gedankt! — auch
keine Siegwarte giebt es hier. Alle Liebesge-
ſchichten eines Jahres zuſammengenommen
wuͤrden kaum Stoff zu dem magerſten Roman
hergeben, aber — deſto mehr liefern die Eh-
ſtandsgeſchichten.

Bey aller Geſelligkeit ſind wahre dauer-
hafte Freundſchaften ſelten genug. Man be-
ſucht viele Jahre hindurch Haͤuſer in denen
man gut aufgenommen wird, ohne jemals zur
Kenntniß der Familienverhaͤltniſſe zu gelangen.
Die Verſchloſſenheit auf der einen, und die
Gleichguͤltigkeit auf der andern Seite gehen
oft ſo weit, daß man ein alter Bekannter des
Hauſes ſeyn kann, ohne gerade die Anzahl der
Kinder zu wiſſen, oder von der Exiſtenz eines
abweſenden nahen Verwandten unterrichtet zu
ſeyn. In den gewoͤhnlichen Zirkeln iſt nur
von allgemeinen Dingen die Rede; hier er-
ſchoͤpft man ſeine Theilnahme fuͤr alltaͤgliche,
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[466/0484] nen ſchon vor ihrem zehnten Jahr an einen lieben Jungen haͤngen; keine ſuͤßen Unterre- dungen mit dem holden Vertrauten der Nacht, und — dem Himmel ſey’s gedankt! — auch keine Siegwarte giebt es hier. Alle Liebesge- ſchichten eines Jahres zuſammengenommen wuͤrden kaum Stoff zu dem magerſten Roman hergeben, aber — deſto mehr liefern die Eh- ſtandsgeſchichten. Bey aller Geſelligkeit ſind wahre dauer- hafte Freundſchaften ſelten genug. Man be- ſucht viele Jahre hindurch Haͤuſer in denen man gut aufgenommen wird, ohne jemals zur Kenntniß der Familienverhaͤltniſſe zu gelangen. Die Verſchloſſenheit auf der einen, und die Gleichguͤltigkeit auf der andern Seite gehen oft ſo weit, daß man ein alter Bekannter des Hauſes ſeyn kann, ohne gerade die Anzahl der Kinder zu wiſſen, oder von der Exiſtenz eines abweſenden nahen Verwandten unterrichtet zu ſeyn. In den gewoͤhnlichen Zirkeln iſt nur von allgemeinen Dingen die Rede; hier er- ſchoͤpft man ſeine Theilnahme fuͤr alltaͤgliche, oft unintereſſante Begebenheiten, unterdeſſen man Freuden und Leiden in ſeinem Buſen

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/484>, abgerufen am 23.11.2024.