Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

ßen Welt. Dieser schnelle Uebergang und die-
ses frühe Erscheinen auf einem Standpunkt
wo Grundsätze und Erfahrung oft nicht vor
Fehlern und Thorheiten sichern können, schadet
auf der Einen Seite der Moralität eben so
sehr, als es auf der andern die Reife des
Verstandes beschleunigt und zur praktischen
Welt- und Menschenkenntniß führt. Man
sieht daher sehr junge Leute mit allen Talen-
ten des Umgangs, mit allen Manieren der
feinen Zirkel und mit jenem Takt für die
Menschen ausgerüstet, der sonst nur der An-
theil eines höhern Alters zu seyn pflegt. Früh-
zeitig schon werden Knaben in Geschäfte ge-
bracht, bey welchen sie natürlich mehr Rou-
tine für ihre künftige Laufbahn einsammeln,
als sie Grundsätze und Kenntnisse zu derselben
mitbringen können. Der Wunsch, Glück zu
machen und ein ausgezeichnetes Ziel zu errei-
chen, der in andern Ländern durch unzählige
Schwierigkeiten so beschränkt, hier aber durch
eine große Möglichkeit und tägliche Beyspiele
des Gelingens so sehr genährt wird, befeuert
Eltern, ihren Kindern schon vor ihrem Eintritt
in die große Welt eine anständige Laufbahn

zu

ßen Welt. Dieſer ſchnelle Uebergang und die-
ſes fruͤhe Erſcheinen auf einem Standpunkt
wo Grundſaͤtze und Erfahrung oft nicht vor
Fehlern und Thorheiten ſichern koͤnnen, ſchadet
auf der Einen Seite der Moralitaͤt eben ſo
ſehr, als es auf der andern die Reife des
Verſtandes beſchleunigt und zur praktiſchen
Welt- und Menſchenkenntniß fuͤhrt. Man
ſieht daher ſehr junge Leute mit allen Talen-
ten des Umgangs, mit allen Manieren der
feinen Zirkel und mit jenem Takt fuͤr die
Menſchen ausgeruͤſtet, der ſonſt nur der An-
theil eines hoͤhern Alters zu ſeyn pflegt. Fruͤh-
zeitig ſchon werden Knaben in Geſchaͤfte ge-
bracht, bey welchen ſie natuͤrlich mehr Rou-
tine fuͤr ihre kuͤnftige Laufbahn einſammeln,
als ſie Grundſaͤtze und Kenntniſſe zu derſelben
mitbringen koͤnnen. Der Wunſch, Gluͤck zu
machen und ein ausgezeichnetes Ziel zu errei-
chen, der in andern Laͤndern durch unzaͤhlige
Schwierigkeiten ſo beſchraͤnkt, hier aber durch
eine große Moͤglichkeit und taͤgliche Beyſpiele
des Gelingens ſo ſehr genaͤhrt wird, befeuert
Eltern, ihren Kindern ſchon vor ihrem Eintritt
in die große Welt eine anſtaͤndige Laufbahn

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0482" n="464"/>
ßen Welt. Die&#x017F;er &#x017F;chnelle Uebergang und die-<lb/>
&#x017F;es fru&#x0364;he Er&#x017F;cheinen auf einem Standpunkt<lb/>
wo Grund&#x017F;a&#x0364;tze und Erfahrung oft nicht vor<lb/>
Fehlern und Thorheiten &#x017F;ichern ko&#x0364;nnen, &#x017F;chadet<lb/>
auf der Einen Seite der Moralita&#x0364;t eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr, als es auf der andern die Reife des<lb/>
Ver&#x017F;tandes be&#x017F;chleunigt und zur prakti&#x017F;chen<lb/>
Welt- und Men&#x017F;chenkenntniß fu&#x0364;hrt. Man<lb/>
&#x017F;ieht daher &#x017F;ehr junge Leute mit allen Talen-<lb/>
ten des Umgangs, mit allen Manieren der<lb/>
feinen Zirkel und mit jenem Takt fu&#x0364;r die<lb/>
Men&#x017F;chen ausgeru&#x0364;&#x017F;tet, der &#x017F;on&#x017F;t nur der An-<lb/>
theil eines ho&#x0364;hern Alters zu &#x017F;eyn pflegt. Fru&#x0364;h-<lb/>
zeitig &#x017F;chon werden Knaben in Ge&#x017F;cha&#x0364;fte ge-<lb/>
bracht, bey welchen &#x017F;ie natu&#x0364;rlich mehr Rou-<lb/>
tine fu&#x0364;r ihre ku&#x0364;nftige Laufbahn ein&#x017F;ammeln,<lb/>
als &#x017F;ie Grund&#x017F;a&#x0364;tze und Kenntni&#x017F;&#x017F;e zu der&#x017F;elben<lb/>
mitbringen ko&#x0364;nnen. Der Wun&#x017F;ch, Glu&#x0364;ck zu<lb/>
machen und ein ausgezeichnetes Ziel zu errei-<lb/>
chen, der in andern La&#x0364;ndern durch unza&#x0364;hlige<lb/>
Schwierigkeiten &#x017F;o be&#x017F;chra&#x0364;nkt, hier aber durch<lb/>
eine große Mo&#x0364;glichkeit und ta&#x0364;gliche Bey&#x017F;piele<lb/>
des Gelingens &#x017F;o &#x017F;ehr gena&#x0364;hrt wird, befeuert<lb/>
Eltern, ihren Kindern &#x017F;chon vor ihrem Eintritt<lb/>
in die große Welt eine an&#x017F;ta&#x0364;ndige Laufbahn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[464/0482] ßen Welt. Dieſer ſchnelle Uebergang und die- ſes fruͤhe Erſcheinen auf einem Standpunkt wo Grundſaͤtze und Erfahrung oft nicht vor Fehlern und Thorheiten ſichern koͤnnen, ſchadet auf der Einen Seite der Moralitaͤt eben ſo ſehr, als es auf der andern die Reife des Verſtandes beſchleunigt und zur praktiſchen Welt- und Menſchenkenntniß fuͤhrt. Man ſieht daher ſehr junge Leute mit allen Talen- ten des Umgangs, mit allen Manieren der feinen Zirkel und mit jenem Takt fuͤr die Menſchen ausgeruͤſtet, der ſonſt nur der An- theil eines hoͤhern Alters zu ſeyn pflegt. Fruͤh- zeitig ſchon werden Knaben in Geſchaͤfte ge- bracht, bey welchen ſie natuͤrlich mehr Rou- tine fuͤr ihre kuͤnftige Laufbahn einſammeln, als ſie Grundſaͤtze und Kenntniſſe zu derſelben mitbringen koͤnnen. Der Wunſch, Gluͤck zu machen und ein ausgezeichnetes Ziel zu errei- chen, der in andern Laͤndern durch unzaͤhlige Schwierigkeiten ſo beſchraͤnkt, hier aber durch eine große Moͤglichkeit und taͤgliche Beyſpiele des Gelingens ſo ſehr genaͤhrt wird, befeuert Eltern, ihren Kindern ſchon vor ihrem Eintritt in die große Welt eine anſtaͤndige Laufbahn zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/482
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/482>, abgerufen am 23.11.2024.