besprützt zu werden. Indessen trocknet die wärmere Sonne die Gassen, der Sommer nähert sich -- wird sich das Schicksal des Fußgängers bessern? Leider nein! Jetzt be- reitet sich ein anderes Element ihn zu quälen. Die Frühlingsstürme jagen den getrockneten Gassenkoth in dicken Staubwolken empor, und wenn diese ermüden, so sengt die brennende Sonne seinen Scheitel. Ein Theil seiner Be- kanntschaften verläßt die Stadt, und mit die- sen muß er sich während der schönen Jahrs- zeit allen Umgang versagen; selbst bey seinen Stadtbesuchen langt er, nach einer Fußreise von einer oder mehreren Wersten, mit Staub und Schweiß bedeckt, von Durst und Müdig- keit erschöpft, an. Trifft ihn auf diesen Wan- derungen unglücklicherweise ein plötzlicher Re- gen, so muß er seinen Schutz unter dem näch- sten Thorwege suchen, und oft, nach stunde- langem Warten, dennoch seinen Rückweg nach Hause antreten, wo er durchnäßt und ver- drüßlich über seinen vereitelten Vorsatz an- langt. So traurig diese Schicksale sind, lie- ber Leser, so spare dein Mitleid doch für den kommenden Herbst auf, denn gegen diesen sind
beſpruͤtzt zu werden. Indeſſen trocknet die waͤrmere Sonne die Gaſſen, der Sommer naͤhert ſich — wird ſich das Schickſal des Fußgaͤngers beſſern? Leider nein! Jetzt be- reitet ſich ein anderes Element ihn zu quaͤlen. Die Fruͤhlingsſtuͤrme jagen den getrockneten Gaſſenkoth in dicken Staubwolken empor, und wenn dieſe ermuͤden, ſo ſengt die brennende Sonne ſeinen Scheitel. Ein Theil ſeiner Be- kanntſchaften verlaͤßt die Stadt, und mit die- ſen muß er ſich waͤhrend der ſchoͤnen Jahrs- zeit allen Umgang verſagen; ſelbſt bey ſeinen Stadtbeſuchen langt er, nach einer Fußreiſe von einer oder mehreren Werſten, mit Staub und Schweiß bedeckt, von Durſt und Muͤdig- keit erſchoͤpft, an. Trifft ihn auf dieſen Wan- derungen ungluͤcklicherweiſe ein ploͤtzlicher Re- gen, ſo muß er ſeinen Schutz unter dem naͤch- ſten Thorwege ſuchen, und oft, nach ſtunde- langem Warten, dennoch ſeinen Ruͤckweg nach Hauſe antreten, wo er durchnaͤßt und ver- druͤßlich uͤber ſeinen vereitelten Vorſatz an- langt. So traurig dieſe Schickſale ſind, lie- ber Leſer, ſo ſpare dein Mitleid doch fuͤr den kommenden Herbſt auf, denn gegen dieſen ſind
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beſpruͤtzt zu werden. Indeſſen trocknet die
waͤrmere Sonne die Gaſſen, der Sommer
naͤhert ſich — wird ſich das Schickſal des
Fußgaͤngers beſſern? Leider nein! Jetzt be-
reitet ſich ein anderes Element ihn zu quaͤlen.
Die Fruͤhlingsſtuͤrme jagen den getrockneten
Gaſſenkoth in dicken Staubwolken empor, und
wenn dieſe ermuͤden, ſo ſengt die brennende
Sonne ſeinen Scheitel. Ein Theil ſeiner Be-
kanntſchaften verlaͤßt die Stadt, und mit die-
ſen muß er ſich waͤhrend der ſchoͤnen Jahrs-
zeit allen Umgang verſagen; ſelbſt bey ſeinen
Stadtbeſuchen langt er, nach einer Fußreiſe
von einer oder mehreren Werſten, mit Staub
und Schweiß bedeckt, von Durſt und Muͤdig-
keit erſchoͤpft, an. Trifft ihn auf dieſen Wan-
derungen ungluͤcklicherweiſe ein ploͤtzlicher Re-
gen, ſo muß er ſeinen Schutz unter dem naͤch-
ſten Thorwege ſuchen, und oft, nach ſtunde-
langem Warten, dennoch ſeinen Ruͤckweg nach
Hauſe antreten, wo er durchnaͤßt und ver-
druͤßlich uͤber ſeinen vereitelten Vorſatz an-
langt. So traurig dieſe Schickſale ſind, lie-
ber Leſer, ſo ſpare dein Mitleid doch fuͤr den
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/468>, abgerufen am 23.11.2024.
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