Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

nung und Duldung veranlaßt. Die Tempel
des Geschmacks, die wissenschaftlichen Vorräthe
mit welchen die Residenz geschmückt und an-
gefüllt ist, bieten dem Sinn für Schönheit
und Kunst eben so reichliche Nahrung, als
dem Wissensdurst emsiger Forscher. -- Mit
dem mäßigsten Antheil von Genügsamkeit kann
man sich auf einem solchen Standpunkt gefal-
len; und der Beyspiele sind nicht wenige, daß
selbst Leute mit den unbeschränktesten Präten-
sionen und einem schwer zu befriedigenden Ge-
nußhunger sich nach einem mehrmaligen Wech-
sel ihres Aufenthalts nirgend besser gefielen
als hier.

Man wird nach allem diesem begierig seyn,
zu wissen, welches die Ansprüche sind, die Je-
mand in die Gesellschaft bringen muß, um
seinen Antheil an der Masse des gemeinschaft-
lichen Genusses behaupten zu können. Die all-
gemeinen Erfordernisse eines kultivirten Men-
schen abgerechnet, die man überall so ziemlich
nach einerley Maaßstabe voraussetzt, hat jedes
Land noch eine besondere Forderung an den
der sich der Gesellschaft widmet, und in der-
selben gut aufgenommen zu werden verlangt.

nung und Duldung veranlaßt. Die Tempel
des Geſchmacks, die wiſſenſchaftlichen Vorraͤthe
mit welchen die Reſidenz geſchmuͤckt und an-
gefuͤllt iſt, bieten dem Sinn fuͤr Schoͤnheit
und Kunſt eben ſo reichliche Nahrung, als
dem Wiſſensdurſt emſiger Forſcher. — Mit
dem maͤßigſten Antheil von Genuͤgſamkeit kann
man ſich auf einem ſolchen Standpunkt gefal-
len; und der Beyſpiele ſind nicht wenige, daß
ſelbſt Leute mit den unbeſchraͤnkteſten Praͤten-
ſionen und einem ſchwer zu befriedigenden Ge-
nußhunger ſich nach einem mehrmaligen Wech-
ſel ihres Aufenthalts nirgend beſſer gefielen
als hier.

Man wird nach allem dieſem begierig ſeyn,
zu wiſſen, welches die Anſpruͤche ſind, die Je-
mand in die Geſellſchaft bringen muß, um
ſeinen Antheil an der Maſſe des gemeinſchaft-
lichen Genuſſes behaupten zu koͤnnen. Die all-
gemeinen Erforderniſſe eines kultivirten Men-
ſchen abgerechnet, die man uͤberall ſo ziemlich
nach einerley Maaßſtabe vorausſetzt, hat jedes
Land noch eine beſondere Forderung an den
der ſich der Geſellſchaft widmet, und in der-
ſelben gut aufgenommen zu werden verlangt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0463" n="445"/>
nung und Duldung veranlaßt. Die Tempel<lb/>
des Ge&#x017F;chmacks, die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Vorra&#x0364;the<lb/>
mit welchen die Re&#x017F;idenz ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt und an-<lb/>
gefu&#x0364;llt i&#x017F;t, bieten dem Sinn fu&#x0364;r Scho&#x0364;nheit<lb/>
und Kun&#x017F;t eben &#x017F;o reichliche Nahrung, als<lb/>
dem Wi&#x017F;&#x017F;ensdur&#x017F;t em&#x017F;iger For&#x017F;cher. &#x2014; Mit<lb/>
dem ma&#x0364;ßig&#x017F;ten Antheil von Genu&#x0364;g&#x017F;amkeit kann<lb/>
man &#x017F;ich auf einem &#x017F;olchen Standpunkt gefal-<lb/>
len; und der Bey&#x017F;piele &#x017F;ind nicht wenige, daß<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t Leute mit den unbe&#x017F;chra&#x0364;nkte&#x017F;ten Pra&#x0364;ten-<lb/>
&#x017F;ionen und einem &#x017F;chwer zu befriedigenden Ge-<lb/>
nußhunger &#x017F;ich nach einem mehrmaligen Wech-<lb/>
&#x017F;el ihres Aufenthalts nirgend be&#x017F;&#x017F;er gefielen<lb/>
als hier.</p><lb/>
          <p>Man wird nach allem die&#x017F;em begierig &#x017F;eyn,<lb/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en, welches die An&#x017F;pru&#x0364;che &#x017F;ind, die Je-<lb/>
mand in die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft bringen muß, um<lb/>
&#x017F;einen Antheil an der Ma&#x017F;&#x017F;e des gemein&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Genu&#x017F;&#x017F;es behaupten zu ko&#x0364;nnen. Die all-<lb/>
gemeinen Erforderni&#x017F;&#x017F;e eines kultivirten Men-<lb/>
&#x017F;chen abgerechnet, die man u&#x0364;berall &#x017F;o ziemlich<lb/>
nach einerley Maaß&#x017F;tabe voraus&#x017F;etzt, hat jedes<lb/>
Land noch eine be&#x017F;ondere Forderung an den<lb/>
der &#x017F;ich der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft widmet, und in der-<lb/>
&#x017F;elben gut aufgenommen zu werden verlangt.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0463] nung und Duldung veranlaßt. Die Tempel des Geſchmacks, die wiſſenſchaftlichen Vorraͤthe mit welchen die Reſidenz geſchmuͤckt und an- gefuͤllt iſt, bieten dem Sinn fuͤr Schoͤnheit und Kunſt eben ſo reichliche Nahrung, als dem Wiſſensdurſt emſiger Forſcher. — Mit dem maͤßigſten Antheil von Genuͤgſamkeit kann man ſich auf einem ſolchen Standpunkt gefal- len; und der Beyſpiele ſind nicht wenige, daß ſelbſt Leute mit den unbeſchraͤnkteſten Praͤten- ſionen und einem ſchwer zu befriedigenden Ge- nußhunger ſich nach einem mehrmaligen Wech- ſel ihres Aufenthalts nirgend beſſer gefielen als hier. Man wird nach allem dieſem begierig ſeyn, zu wiſſen, welches die Anſpruͤche ſind, die Je- mand in die Geſellſchaft bringen muß, um ſeinen Antheil an der Maſſe des gemeinſchaft- lichen Genuſſes behaupten zu koͤnnen. Die all- gemeinen Erforderniſſe eines kultivirten Men- ſchen abgerechnet, die man uͤberall ſo ziemlich nach einerley Maaßſtabe vorausſetzt, hat jedes Land noch eine beſondere Forderung an den der ſich der Geſellſchaft widmet, und in der- ſelben gut aufgenommen zu werden verlangt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/463
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/463>, abgerufen am 23.11.2024.