räuschvolles Ceremoniel die ganze Gesellschaft in Aufruhr zu bringen.
Eine Frage, die jeder Leser dieser Schilde- rung sehr natürlich aufwerfen wird, ist diese: womit sich ein so gesellschaftliebendes Publi- kum in seinen Zirkeln beschäftigt? Allerdings würden hier die gewöhnlichen Hülfsmittel der Unterhaltung unzureichend seyn, wenn man ihnen nicht einen erhöheten Reiz zu geben wüßte, der sie selbst für kältere Menschen an- ziehend macht und den Ueberdruß des ewigen Einerleys verhütet. Tafelfreuden, Kartenspiel und Gespräche geben hier wie überall den Stoff her, aus welchem sich Jeder, nach dem verschiedenen Maaß der Empfänglichkeit und der Mittheilungsgabe, seine Unterhaltung herausspinnt; aber die Art, wie man diese Quellen des gesellschaftlichen Vergnügens be- nutzt, ist so eigenthümlich, daß sie zur Karak- teristik der Petersburger einzelne auffallende Züge hergiebt.
Man setzt sich freylich überall in der Welt zu Tische, um ein natürliches Bedürfniß und mehr oder weniger auch die Sinnlichkeit zu be- friedigen; an wenigen Orten aber ist das Letz-
raͤuſchvolles Ceremoniel die ganze Geſellſchaft in Aufruhr zu bringen.
Eine Frage, die jeder Leſer dieſer Schilde- rung ſehr natuͤrlich aufwerfen wird, iſt dieſe: womit ſich ein ſo geſellſchaftliebendes Publi- kum in ſeinen Zirkeln beſchaͤftigt? Allerdings wuͤrden hier die gewoͤhnlichen Huͤlfsmittel der Unterhaltung unzureichend ſeyn, wenn man ihnen nicht einen erhoͤheten Reiz zu geben wuͤßte, der ſie ſelbſt fuͤr kaͤltere Menſchen an- ziehend macht und den Ueberdruß des ewigen Einerleys verhuͤtet. Tafelfreuden, Kartenſpiel und Geſpraͤche geben hier wie uͤberall den Stoff her, aus welchem ſich Jeder, nach dem verſchiedenen Maaß der Empfaͤnglichkeit und der Mittheilungsgabe, ſeine Unterhaltung herausſpinnt; aber die Art, wie man dieſe Quellen des geſellſchaftlichen Vergnuͤgens be- nutzt, iſt ſo eigenthuͤmlich, daß ſie zur Karak- teriſtik der Petersburger einzelne auffallende Zuͤge hergiebt.
Man ſetzt ſich freylich uͤberall in der Welt zu Tiſche, um ein natuͤrliches Beduͤrfniß und mehr oder weniger auch die Sinnlichkeit zu be- friedigen; an wenigen Orten aber iſt das Letz-
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raͤuſchvolles Ceremoniel die ganze Geſellſchaft
in Aufruhr zu bringen.
Eine Frage, die jeder Leſer dieſer Schilde-
rung ſehr natuͤrlich aufwerfen wird, iſt dieſe:
womit ſich ein ſo geſellſchaftliebendes Publi-
kum in ſeinen Zirkeln beſchaͤftigt? Allerdings
wuͤrden hier die gewoͤhnlichen Huͤlfsmittel der
Unterhaltung unzureichend ſeyn, wenn man
ihnen nicht einen erhoͤheten Reiz zu geben
wuͤßte, der ſie ſelbſt fuͤr kaͤltere Menſchen an-
ziehend macht und den Ueberdruß des ewigen
Einerleys verhuͤtet. Tafelfreuden, Kartenſpiel
und Geſpraͤche geben hier wie uͤberall den
Stoff her, aus welchem ſich Jeder, nach dem
verſchiedenen Maaß der Empfaͤnglichkeit und
der Mittheilungsgabe, ſeine Unterhaltung
herausſpinnt; aber die Art, wie man dieſe
Quellen des geſellſchaftlichen Vergnuͤgens be-
nutzt, iſt ſo eigenthuͤmlich, daß ſie zur Karak-
teriſtik der Petersburger einzelne auffallende
Zuͤge hergiebt.
Man ſetzt ſich freylich uͤberall in der Welt
zu Tiſche, um ein natuͤrliches Beduͤrfniß und
mehr oder weniger auch die Sinnlichkeit zu be-
friedigen; an wenigen Orten aber iſt das Letz-
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/444>, abgerufen am 23.11.2024.
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