sagt der Kaufmann, wenn er sich um neun oder zehn Uhr Vormittags in seinem weichen Lager dehnt, unterdessen der Bedienstete und der Sollicitant schon seit sechs Uhr im Vorzim- mer ihrer Chefs und Patrone warten. Das Leben in den Straßen, die Thätigkeit des ge- meinen Volks, richtet sich im Winter nach dem Anbruch des Tages; im Sommer lockt der schöne Morgen und die kaum untergehende Sonne manchen trägen Städter früher aus dem Bette, und der Rauch drängt sich schon aus den Schornsteinen, wenn im Winter um die nämliche Zeit noch Alles in tiefem Schlum- mer begraben liegt. Sobald das Frühstück und die Toilette beendigt sind, fängt der Vormit- tag an, die Zeit der eigentlichen Geschäfte. Alles was gesucht und betrieben werden soll, muß in diesem Zeitraum, bis zur Mittagsta- fel, geschehen: das Gewühl in den Gassen und die Stille in den Häusern ist niemals größer als in diesen Stunden. Unterdessen die männ- liche Hälfte der Einwohner sich den Geschäften weiht und bürgerliche Frauen der Wirthschaft und ihrem Hauswesen obliegen, läßt sich der höhere Theil des weiblichen Publikums durch
ſagt der Kaufmann, wenn er ſich um neun oder zehn Uhr Vormittags in ſeinem weichen Lager dehnt, unterdeſſen der Bedienſtete und der Sollicitant ſchon ſeit ſechs Uhr im Vorzim- mer ihrer Chefs und Patrone warten. Das Leben in den Straßen, die Thaͤtigkeit des ge- meinen Volks, richtet ſich im Winter nach dem Anbruch des Tages; im Sommer lockt der ſchoͤne Morgen und die kaum untergehende Sonne manchen traͤgen Staͤdter fruͤher aus dem Bette, und der Rauch draͤngt ſich ſchon aus den Schornſteinen, wenn im Winter um die naͤmliche Zeit noch Alles in tiefem Schlum- mer begraben liegt. Sobald das Fruͤhſtuͤck und die Toilette beendigt ſind, faͤngt der Vormit- tag an, die Zeit der eigentlichen Geſchaͤfte. Alles was geſucht und betrieben werden ſoll, muß in dieſem Zeitraum, bis zur Mittagsta- fel, geſchehen: das Gewuͤhl in den Gaſſen und die Stille in den Haͤuſern iſt niemals groͤßer als in dieſen Stunden. Unterdeſſen die maͤnn- liche Haͤlfte der Einwohner ſich den Geſchaͤften weiht und buͤrgerliche Frauen der Wirthſchaft und ihrem Hausweſen obliegen, laͤßt ſich der hoͤhere Theil des weiblichen Publikums durch
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ſagt der Kaufmann, wenn er ſich um neun
oder zehn Uhr Vormittags in ſeinem weichen
Lager dehnt, unterdeſſen der Bedienſtete und
der Sollicitant ſchon ſeit ſechs Uhr im Vorzim-
mer ihrer Chefs und Patrone warten. Das
Leben in den Straßen, die Thaͤtigkeit des ge-
meinen Volks, richtet ſich im Winter nach dem
Anbruch des Tages; im Sommer lockt der
ſchoͤne Morgen und die kaum untergehende
Sonne manchen traͤgen Staͤdter fruͤher aus
dem Bette, und der Rauch draͤngt ſich ſchon
aus den Schornſteinen, wenn im Winter um
die naͤmliche Zeit noch Alles in tiefem Schlum-
mer begraben liegt. Sobald das Fruͤhſtuͤck und
die Toilette beendigt ſind, faͤngt der Vormit-
tag an, die Zeit der eigentlichen Geſchaͤfte.
Alles was geſucht und betrieben werden ſoll,
muß in dieſem Zeitraum, bis zur Mittagsta-
fel, geſchehen: das Gewuͤhl in den Gaſſen und
die Stille in den Haͤuſern iſt niemals groͤßer
als in dieſen Stunden. Unterdeſſen die maͤnn-
liche Haͤlfte der Einwohner ſich den Geſchaͤften
weiht und buͤrgerliche Frauen der Wirthſchaft
und ihrem Hausweſen obliegen, laͤßt ſich der
hoͤhere Theil des weiblichen Publikums durch
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/431>, abgerufen am 23.11.2024.
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