Da die Anzahl der Pferde, welche man in der Stadt vorspannen darf, sich nach dem Range bestimmt, den Jeder bekleidet, so hat der Luxus den Gebrauch, mit mehr als zweyen zu fahren, bey den höhern Ständen allgemein gemacht. Nirgend sieht man häufiger sechs- spännige Equipagen als hier. Jedes Paar Pferde hat einen Vorreiter; dies sind durchge- hends kleine Jungen von acht bis zwölf Jah- ren, die gegen die ausländische Sitte gewöhn- lich auf dem Pferde rechter Hand sitzen, und durch ein unaufhörliches Geschrey aus voller Kehle die Vorübergehenden und Fahrenden auf ihren Weg aufmerksam machen. Das Loos dieser kleinen Geschöpfe ist sehr hart; sie kommen oft den ganzen Tag nicht vom Pferde und müssen dem Ungestüm der herbsten Witte- rung trotzen. Der Kutscher trägt, nach russi- scher Sitte, einen langen Bart; anfangs stößt sich das Auge hieran, aber die Gewohnheit macht diesen Anblick bald erträglich. -- Wahr- scheinlich fährt man in keiner Stadt so schnell als hier; es ist nichts ungewöhnliches, einen Wagen mit Sechsen im gestreckten Gallop durch die Straßen jagen zu sehn.
Da die Anzahl der Pferde, welche man in der Stadt vorſpannen darf, ſich nach dem Range beſtimmt, den Jeder bekleidet, ſo hat der Luxus den Gebrauch, mit mehr als zweyen zu fahren, bey den hoͤhern Staͤnden allgemein gemacht. Nirgend ſieht man haͤufiger ſechs- ſpaͤnnige Equipagen als hier. Jedes Paar Pferde hat einen Vorreiter; dies ſind durchge- hends kleine Jungen von acht bis zwoͤlf Jah- ren, die gegen die auslaͤndiſche Sitte gewoͤhn- lich auf dem Pferde rechter Hand ſitzen, und durch ein unaufhoͤrliches Geſchrey aus voller Kehle die Voruͤbergehenden und Fahrenden auf ihren Weg aufmerkſam machen. Das Loos dieſer kleinen Geſchoͤpfe iſt ſehr hart; ſie kommen oft den ganzen Tag nicht vom Pferde und muͤſſen dem Ungeſtuͤm der herbſten Witte- rung trotzen. Der Kutſcher traͤgt, nach ruſſi- ſcher Sitte, einen langen Bart; anfangs ſtoͤßt ſich das Auge hieran, aber die Gewohnheit macht dieſen Anblick bald ertraͤglich. — Wahr- ſcheinlich faͤhrt man in keiner Stadt ſo ſchnell als hier; es iſt nichts ungewoͤhnliches, einen Wagen mit Sechſen im geſtreckten Gallop durch die Straßen jagen zu ſehn.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0420"n="402"/><p>Da die Anzahl der Pferde, welche man in<lb/>
der Stadt vorſpannen darf, ſich nach dem<lb/>
Range beſtimmt, den Jeder bekleidet, ſo hat<lb/>
der Luxus den Gebrauch, mit mehr als zweyen<lb/>
zu fahren, bey den hoͤhern Staͤnden allgemein<lb/>
gemacht. Nirgend ſieht man haͤufiger ſechs-<lb/>ſpaͤnnige Equipagen als hier. Jedes Paar<lb/>
Pferde hat einen Vorreiter; dies ſind durchge-<lb/>
hends kleine Jungen von acht bis zwoͤlf Jah-<lb/>
ren, die gegen die auslaͤndiſche Sitte gewoͤhn-<lb/>
lich auf dem Pferde rechter Hand ſitzen, und<lb/>
durch ein unaufhoͤrliches Geſchrey aus voller<lb/>
Kehle die Voruͤbergehenden und Fahrenden<lb/>
auf ihren Weg aufmerkſam machen. Das<lb/>
Loos dieſer kleinen Geſchoͤpfe iſt ſehr hart; ſie<lb/>
kommen oft den ganzen Tag nicht vom Pferde<lb/>
und muͤſſen dem Ungeſtuͤm der herbſten Witte-<lb/>
rung trotzen. Der Kutſcher traͤgt, nach ruſſi-<lb/>ſcher Sitte, einen langen Bart; anfangs ſtoͤßt<lb/>ſich das Auge hieran, aber die Gewohnheit<lb/>
macht dieſen Anblick bald ertraͤglich. — Wahr-<lb/>ſcheinlich faͤhrt man in keiner Stadt ſo ſchnell<lb/>
als hier; es iſt nichts ungewoͤhnliches, einen<lb/>
Wagen mit Sechſen im geſtreckten Gallop<lb/>
durch die Straßen jagen zu ſehn.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[402/0420]
Da die Anzahl der Pferde, welche man in
der Stadt vorſpannen darf, ſich nach dem
Range beſtimmt, den Jeder bekleidet, ſo hat
der Luxus den Gebrauch, mit mehr als zweyen
zu fahren, bey den hoͤhern Staͤnden allgemein
gemacht. Nirgend ſieht man haͤufiger ſechs-
ſpaͤnnige Equipagen als hier. Jedes Paar
Pferde hat einen Vorreiter; dies ſind durchge-
hends kleine Jungen von acht bis zwoͤlf Jah-
ren, die gegen die auslaͤndiſche Sitte gewoͤhn-
lich auf dem Pferde rechter Hand ſitzen, und
durch ein unaufhoͤrliches Geſchrey aus voller
Kehle die Voruͤbergehenden und Fahrenden
auf ihren Weg aufmerkſam machen. Das
Loos dieſer kleinen Geſchoͤpfe iſt ſehr hart; ſie
kommen oft den ganzen Tag nicht vom Pferde
und muͤſſen dem Ungeſtuͤm der herbſten Witte-
rung trotzen. Der Kutſcher traͤgt, nach ruſſi-
ſcher Sitte, einen langen Bart; anfangs ſtoͤßt
ſich das Auge hieran, aber die Gewohnheit
macht dieſen Anblick bald ertraͤglich. — Wahr-
ſcheinlich faͤhrt man in keiner Stadt ſo ſchnell
als hier; es iſt nichts ungewoͤhnliches, einen
Wagen mit Sechſen im geſtreckten Gallop
durch die Straßen jagen zu ſehn.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/420>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.