In der Zubereitung der Speisen herrscht im Ganzen ein sonderbares Gemisch von deut- scher, französischer, englischer und russischer Kochart. Man sieht auf einer und derselben Tafel halbrohen Roastbeaf, pikante Saucen, zerkochtes Fleisch und in Teig gebackene Fische. Bey aller Zusammensetzung sind diese Artikel dennoch auf den feinsten Wohlgeschmack be- rechnet, und der Takt der Petersburger ist hierinn im Allgemeinen so sicher, daß man selbst mit der eigensinnigsten Gourmandise keine Gefahr läuft, bey einer so buntbesetzten Tafel hungrig zu bleiben.
In den meisten Häusern beginnt die Mahl- zeit mit einer kalten Schüssel, auf welche die Suppe, größtentheils in französischem Ge- schmacke, folgt. An diese reihen sich eine Menge von Zwischenspeisen, bald auf diese, bald auf jene Art zugerichtet; überall sehr viel Fleisch, welches man hier in jeder Gattung von vorzüglicher Güte findet; Gemüse nach der Jahrszeit, das heißt, fast immer einige Wochen früher, als es unter freyem Himmel zur Reife gelangt, denn sobald dies der Fall ist, erscheint es in vielen Häusern gar nicht
In der Zubereitung der Speiſen herrſcht im Ganzen ein ſonderbares Gemiſch von deut- ſcher, franzoͤſiſcher, engliſcher und ruſſiſcher Kochart. Man ſieht auf einer und derſelben Tafel halbrohen Roaſtbeaf, pikante Saucen, zerkochtes Fleiſch und in Teig gebackene Fiſche. Bey aller Zuſammenſetzung ſind dieſe Artikel dennoch auf den feinſten Wohlgeſchmack be- rechnet, und der Takt der Petersburger iſt hierinn im Allgemeinen ſo ſicher, daß man ſelbſt mit der eigenſinnigſten Gourmandiſe keine Gefahr laͤuft, bey einer ſo buntbeſetzten Tafel hungrig zu bleiben.
In den meiſten Haͤuſern beginnt die Mahl- zeit mit einer kalten Schuͤſſel, auf welche die Suppe, groͤßtentheils in franzoͤſiſchem Ge- ſchmacke, folgt. An dieſe reihen ſich eine Menge von Zwiſchenſpeiſen, bald auf dieſe, bald auf jene Art zugerichtet; uͤberall ſehr viel Fleiſch, welches man hier in jeder Gattung von vorzuͤglicher Guͤte findet; Gemuͤſe nach der Jahrszeit, das heißt, faſt immer einige Wochen fruͤher, als es unter freyem Himmel zur Reife gelangt, denn ſobald dies der Fall iſt, erſcheint es in vielen Haͤuſern gar nicht
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In der Zubereitung der Speiſen herrſcht
im Ganzen ein ſonderbares Gemiſch von deut-
ſcher, franzoͤſiſcher, engliſcher und ruſſiſcher
Kochart. Man ſieht auf einer und derſelben
Tafel halbrohen Roaſtbeaf, pikante Saucen,
zerkochtes Fleiſch und in Teig gebackene Fiſche.
Bey aller Zuſammenſetzung ſind dieſe Artikel
dennoch auf den feinſten Wohlgeſchmack be-
rechnet, und der Takt der Petersburger iſt
hierinn im Allgemeinen ſo ſicher, daß man
ſelbſt mit der eigenſinnigſten Gourmandiſe keine
Gefahr laͤuft, bey einer ſo buntbeſetzten Tafel
hungrig zu bleiben.
In den meiſten Haͤuſern beginnt die Mahl-
zeit mit einer kalten Schuͤſſel, auf welche die
Suppe, groͤßtentheils in franzoͤſiſchem Ge-
ſchmacke, folgt. An dieſe reihen ſich eine
Menge von Zwiſchenſpeiſen, bald auf dieſe,
bald auf jene Art zugerichtet; uͤberall ſehr viel
Fleiſch, welches man hier in jeder Gattung
von vorzuͤglicher Guͤte findet; Gemuͤſe nach
der Jahrszeit, das heißt, faſt immer einige
Wochen fruͤher, als es unter freyem Himmel
zur Reife gelangt, denn ſobald dies der Fall
iſt, erſcheint es in vielen Haͤuſern gar nicht
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/413>, abgerufen am 23.11.2024.
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