Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht selten in den niedern Klassen durch Sce-
nen des Ekels beleidigt wird.

Größer noch als der Aufwand, den die
Petersburger in ihrer Wohnung und häusli-
chen Einrichtung machen, ist der Tafelluxus,
der nach dem Urtheil aller Reisenden hier wei-
ter getrieben wird, als in Wien und Ham-
burg. Eigentliche Gastmähler sind hier selt-
ner, und selbst an solchen Tagen wo gebetne
Gäste erscheinen, läßt sich der Reichthum un-
serer Tafeln nicht mit dem Ueberfluß verglei-
chen, der bey ähnlichen Gelegenheiten in Ham-
burg, mehr zum Prunk als für den Genuß
aufgetragen wird; aber der Petersburger hat
täglich eine wohlbesetzte Tafel und ist täglich
darauf eingerichtet, Gäste zu empfangen und
zu bewirthen, da der Hamburger, außer sei-
nen lange vorher angekündigten Schmause-
reyen, sich mit der sogenannten Hausmanns-
kost behilft und ohne förmliche Einladung sel-
ten oder niemals Besuch zu Tische erwartet.
Der Luxus in diesem Theil der Lebensart ist
also nicht so auffallend, aber gewiß um desto
größer.


nicht ſelten in den niedern Klaſſen durch Sce-
nen des Ekels beleidigt wird.

Groͤßer noch als der Aufwand, den die
Petersburger in ihrer Wohnung und haͤusli-
chen Einrichtung machen, iſt der Tafelluxus,
der nach dem Urtheil aller Reiſenden hier wei-
ter getrieben wird, als in Wien und Ham-
burg. Eigentliche Gaſtmaͤhler ſind hier ſelt-
ner, und ſelbſt an ſolchen Tagen wo gebetne
Gaͤſte erſcheinen, laͤßt ſich der Reichthum un-
ſerer Tafeln nicht mit dem Ueberfluß verglei-
chen, der bey aͤhnlichen Gelegenheiten in Ham-
burg, mehr zum Prunk als fuͤr den Genuß
aufgetragen wird; aber der Petersburger hat
taͤglich eine wohlbeſetzte Tafel und iſt taͤglich
darauf eingerichtet, Gaͤſte zu empfangen und
zu bewirthen, da der Hamburger, außer ſei-
nen lange vorher angekuͤndigten Schmauſe-
reyen, ſich mit der ſogenannten Hausmanns-
koſt behilft und ohne foͤrmliche Einladung ſel-
ten oder niemals Beſuch zu Tiſche erwartet.
Der Luxus in dieſem Theil der Lebensart iſt
alſo nicht ſo auffallend, aber gewiß um deſto
groͤßer.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0412" n="394"/>
nicht &#x017F;elten in den niedern Kla&#x017F;&#x017F;en durch Sce-<lb/>
nen des Ekels beleidigt wird.</p><lb/>
          <p>Gro&#x0364;ßer noch als der Aufwand, den die<lb/>
Petersburger in ihrer Wohnung und ha&#x0364;usli-<lb/>
chen Einrichtung machen, i&#x017F;t der Tafelluxus,<lb/>
der nach dem Urtheil aller Rei&#x017F;enden hier wei-<lb/>
ter getrieben wird, als in Wien und Ham-<lb/>
burg. Eigentliche Ga&#x017F;tma&#x0364;hler &#x017F;ind hier &#x017F;elt-<lb/>
ner, und &#x017F;elb&#x017F;t an &#x017F;olchen Tagen wo gebetne<lb/>
Ga&#x0364;&#x017F;te er&#x017F;cheinen, la&#x0364;ßt &#x017F;ich der Reichthum un-<lb/>
&#x017F;erer Tafeln nicht mit dem Ueberfluß verglei-<lb/>
chen, der bey a&#x0364;hnlichen Gelegenheiten in Ham-<lb/>
burg, mehr zum Prunk als fu&#x0364;r den Genuß<lb/>
aufgetragen wird; aber der Petersburger hat<lb/><hi rendition="#g">ta&#x0364;glich</hi> eine wohlbe&#x017F;etzte Tafel und i&#x017F;t ta&#x0364;glich<lb/>
darauf eingerichtet, Ga&#x0364;&#x017F;te zu empfangen und<lb/>
zu bewirthen, da der Hamburger, außer &#x017F;ei-<lb/>
nen lange vorher angeku&#x0364;ndigten Schmau&#x017F;e-<lb/>
reyen, &#x017F;ich mit der &#x017F;ogenannten Hausmanns-<lb/>
ko&#x017F;t behilft und ohne fo&#x0364;rmliche Einladung &#x017F;el-<lb/>
ten oder niemals Be&#x017F;uch zu Ti&#x017F;che erwartet.<lb/>
Der Luxus in die&#x017F;em Theil der Lebensart i&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o nicht &#x017F;o auffallend, aber gewiß um de&#x017F;to<lb/>
gro&#x0364;ßer.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0412] nicht ſelten in den niedern Klaſſen durch Sce- nen des Ekels beleidigt wird. Groͤßer noch als der Aufwand, den die Petersburger in ihrer Wohnung und haͤusli- chen Einrichtung machen, iſt der Tafelluxus, der nach dem Urtheil aller Reiſenden hier wei- ter getrieben wird, als in Wien und Ham- burg. Eigentliche Gaſtmaͤhler ſind hier ſelt- ner, und ſelbſt an ſolchen Tagen wo gebetne Gaͤſte erſcheinen, laͤßt ſich der Reichthum un- ſerer Tafeln nicht mit dem Ueberfluß verglei- chen, der bey aͤhnlichen Gelegenheiten in Ham- burg, mehr zum Prunk als fuͤr den Genuß aufgetragen wird; aber der Petersburger hat taͤglich eine wohlbeſetzte Tafel und iſt taͤglich darauf eingerichtet, Gaͤſte zu empfangen und zu bewirthen, da der Hamburger, außer ſei- nen lange vorher angekuͤndigten Schmauſe- reyen, ſich mit der ſogenannten Hausmanns- koſt behilft und ohne foͤrmliche Einladung ſel- ten oder niemals Beſuch zu Tiſche erwartet. Der Luxus in dieſem Theil der Lebensart iſt alſo nicht ſo auffallend, aber gewiß um deſto groͤßer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/412
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/412>, abgerufen am 23.11.2024.