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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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die Industrie und die Anstrengung, mit wel-
cher der beurlaubte Bauer sich etwas zu er-
werben strebt, ist ein Beweis, daß er den
Glauben an die Sicherheit seines Eigenthums
hat. Wäre dies nicht, so würde er die Hoff-
nung reich zu werden, dem augenblicklichen Ge-
nuß aufopfern; aber die Erfahrung beweis't
das Gegentheil auf die unwidersprechlichste
Art. Kein gemeiner Russe verzehrt was er
erwirbt; oft setzt er seine äußerst frugale Le-
bensart auch dann noch fort, wenn seine Be-
triebsamkeit ihn schon für die Besorgniß eines
künftigen Mangels gesichert hat. -- Aus die-
sen Thatsachen soll und kann zwar die Folge-
rung nicht gezogen werden, als ob der Zustand

emporschwingen; auch unter denen die auf dem Lande le-
ben, giebt es sehr wohlhabende Leute. Mir ist ein Fall
bekannt, da ein einziges Dorf freywillig 30,000 R. auf-
brachte, um den Besitzer desselben, der ein gnter Herr ge-
gen seine Leute war, aus einer großen Geldverlegenheit
zu retten. Unter den Bauern des Grafen Schereme-
tjew
soll es mehrere geben, die 50 bis 100,000 R. besitzen,
und, nach der Erzählung eines neuern Schriftstellers, zu-
weilen auf Silber und sächsischem Porzellain speisen.
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die Induſtrie und die Anſtrengung, mit wel-
cher der beurlaubte Bauer ſich etwas zu er-
werben ſtrebt, iſt ein Beweis, daß er den
Glauben an die Sicherheit ſeines Eigenthums
hat. Waͤre dies nicht, ſo wuͤrde er die Hoff-
nung reich zu werden, dem augenblicklichen Ge-
nuß aufopfern; aber die Erfahrung beweiſ’t
das Gegentheil auf die unwiderſprechlichſte
Art. Kein gemeiner Ruſſe verzehrt was er
erwirbt; oft ſetzt er ſeine aͤußerſt frugale Le-
bensart auch dann noch fort, wenn ſeine Be-
triebſamkeit ihn ſchon fuͤr die Beſorgniß eines
kuͤnftigen Mangels geſichert hat. — Aus die-
ſen Thatſachen ſoll und kann zwar die Folge-
rung nicht gezogen werden, als ob der Zuſtand

emporſchwingen; auch unter denen die auf dem Lande le-
ben, giebt es ſehr wohlhabende Leute. Mir iſt ein Fall
bekannt, da ein einziges Dorf freywillig 30,000 R. auf-
brachte, um den Beſitzer deſſelben, der ein gnter Herr ge-
gen ſeine Leute war, aus einer großen Geldverlegenheit
zu retten. Unter den Bauern des Grafen Schereme-
tjew
ſoll es mehrere geben, die 50 bis 100,000 R. beſitzen,
und, nach der Erzählung eines neuern Schriftſtellers, zu-
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[377/0395] die Induſtrie und die Anſtrengung, mit wel- cher der beurlaubte Bauer ſich etwas zu er- werben ſtrebt, iſt ein Beweis, daß er den Glauben an die Sicherheit ſeines Eigenthums hat. Waͤre dies nicht, ſo wuͤrde er die Hoff- nung reich zu werden, dem augenblicklichen Ge- nuß aufopfern; aber die Erfahrung beweiſ’t das Gegentheil auf die unwiderſprechlichſte Art. Kein gemeiner Ruſſe verzehrt was er erwirbt; oft ſetzt er ſeine aͤußerſt frugale Le- bensart auch dann noch fort, wenn ſeine Be- triebſamkeit ihn ſchon fuͤr die Beſorgniß eines kuͤnftigen Mangels geſichert hat. — Aus die- ſen Thatſachen ſoll und kann zwar die Folge- rung nicht gezogen werden, als ob der Zuſtand *) *) emporſchwingen; auch unter denen die auf dem Lande le- ben, giebt es ſehr wohlhabende Leute. Mir iſt ein Fall bekannt, da ein einziges Dorf freywillig 30,000 R. auf- brachte, um den Beſitzer deſſelben, der ein gnter Herr ge- gen ſeine Leute war, aus einer großen Geldverlegenheit zu retten. Unter den Bauern des Grafen Schereme- tjew ſoll es mehrere geben, die 50 bis 100,000 R. beſitzen, und, nach der Erzählung eines neuern Schriftſtellers, zu- weilen auf Silber und ſächſiſchem Porzellain ſpeiſen. A a 5

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/395>, abgerufen am 23.11.2024.